Die europäischen Finanzmärkte reagierten nervös auf die russische Invasion in der Ukraine am 24. Februar 2022, doch zu einem wirklichen Crash kam es nicht. Nach einer Woche verlor der Morningstar Europe Index etwa 2,5%, während der Morningstar Global Markets Index sogar stieg.
Der Ausbruch des Krieges veränderte die Stimmung der Anleger aber und setzte sie mehreren Folgen aus, darunter die Energiekrise, steigende Inflation, Zinserhöhungen und konjunkturelle Schwäche. Daher gingen die europäischen Aktienmärkte zurück und beendeten das Jahr mit einem Minus von 13% (in Euro), und der Ausverkauf traf auch die globalen Aktienmärkte (-12,96% in Euro).
Die Finanzmärkte haben sich seit Anfang 2023 erholt, aber das geopolitische Risiko sollte nicht unterschätzt werden.
Ein Blick in die Vergangenheit kann uns helfen, mit unseren Investitionen auf Kurs zu bleiben, wobei wir uns daran erinnern, dass die Reaktionen auf geopolitische Ereignisse je nach spezifischer Situation und makroökonomischem Hintergrund unterschiedlich waren. Wir haben fünf Ereignisse analysiert, die das Risiko auf den Märkten in gewisser Weise erhöht haben (siehe Grafik oben), wobei wir uns auf die Performance zwölf Monate nach dem Schock und den maximalen Drawdown (ein Maß für den größten Kursrückgang des Vermögenswerts von der Spitze bis zur Talsohle) im Betrachtungsraum konzentriert haben.
Als Indikator für geopolitische Risiken haben wir den GPR-Index (Geopolitical Risk Index) herangezogen, der ungünstige geopolitische Ereignisse und damit verbundene Risiken auf der Grundlage einer Reihe von Zeitungsartikeln über geopolitische Spannungen misst. Der Recent GPR Index beginnt im Jahr 1985, während der historische auf das Jahr 1900 zurückgeht.
Twin Towers - 11. September 2001
Am 11. September 2001 verübte eine Gruppe von Al-Qaida-Terroristen eine Reihe von Selbstmordanschlägen gegen zivile und militärische Ziele in den Vereinigten Staaten, darunter die Twin Towers (World Trade Center), das Finanzzentrum von New York. An den Märkten waren die Auswirkungen sofort spürbar und führten zu einem starken Ausverkauf, aber drei Monate später hatte sich die Wall Street erholt.
Ein Jahr später befand sich die US-Börse in einem starken Rückgang, erdrückt durch das Platzen der Internetblase und durch die Rezession, mit negativen Folgen für alle globalen Aktienmärkte, einschließlich dem Europas.
Irakkrieg – 20. März 2003
Der zweite Golfkrieg, Teil des Kampfes gegen den Terrorismus, begann am 20. März 2003 mit der Invasion des Iraks durch eine internationale Koalition unter Führung der Vereinigten Staaten und endete am 18. Dezember 2011 mit dem Abzug der US-Truppen aus dem Land.
Als die Anleger erkannten, dass es sich nicht um einen „Blitzkrieg“ handelte, brachen die Finanzmärkte zusammen und die Anleger wechselten zu sicheren Anlagen wie Gold. Die Unsicherheit über brennende Ölquellen ließ die Ölpreise in die Höhe schnellen.
Ein Jahr nach Ausbruch des Krieges hatten sich die Weltbörsen jedoch weitgehend erholt: Der Index Morningstar Global Markets legte binnen eines Jahres in Euro um rund 18% zu.
Im Jahr 2004 beschleunigte sich die Weltwirtschaft mit einem Wachstum von 5,1% (Quelle: Internationaler Währungsfonds), hauptsächlich angetrieben von China und Indien. Die Geopolitik schien in den Jahren nach Kriegsausbruch kein großes Problem für die Märkte darzustellen, wie aus dem GPR-Index in der obigen Grafik hervorgeht.
Erster Bürgerkrieg in Libyen (Arabischer Frühling) – 15. Februar 2011
Der erste libysche Bürgerkriegs beginnt am 15. Februar 2011 und endet am 20. Oktober 2011. Er beginnt mit einer Reihe friedlicher Proteste, entsprungen aus den Bewegungen im Arabischen Frühling, und entwickelt sich später zu einem heftigen Bürgerkrieg zwischen den Kräften, die der Regierung von Muammar Gaddafi treu ergeben sind, und den Anti-Gaddafi-Kräften. Der Bürgerkrieg endet mit der Tötung Gaddafis, der Nationale Übergangsrat ersetzt seine Regierung.
Der Arabische Frühling hatte Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum Nordafrikas, aber auch auf die Handelsbeziehungen mit der Europäischen Union, insbesondere mit Italien. In jenen Jahren wurden die Finanzmärkte jedoch von einem anderen Gespenst erschüttert, der Staatsschuldenkrise in der Eurozone, die die am stärksten gefährdeten Länder, die sogenannten PIIGS (Portugal, Irland, Italien, Griechenland und Spanien), erfasste. Die europäischen Aktienmärkte brachen ein, da sie vom Bankensektor mitgerissen wurden, der stark in Staatsanleihen investiert war.
Annexion der Krim – 20. Februar 2014
Nach der Revolution von 2014 in der Ukraine (Euromaidan) entsandte Moskau „unmarkierte“ Truppen, um die Kontrolle über die lokale Regierung der Krim zu übernehmen, und nach einem Referendum, das von einem großen Teil der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wurde, unterschrieben die Krim-Behörden am 18. März 2014 offiziell den Übergang an Russland.
Die Spannungen auf der Krim sorgten aufgrund von Ängsten vor einem Ausbruch des Konflikts für Volatilität an den Finanzmärkten, insbesondere in Europa. Aber auch in den Folgemonaten hielten die Sorgen wegen der von der Europäischen Union und den USA gegen Moskau verhängten Sanktionen an. Im Wirtschaftsbericht der Bank von Italien vom Oktober 2014 heißt es: „In Zukunft könnte eine Verschlechterung der Lage erhebliche Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft haben; die Auswirkungen auf die Energieversorgung bleiben der Hauptrisikofaktor“.
Drohnen über Saudi-Arabien – 14. September 2019
Am 14. September 2019 griffen bewaffnete Drohnen Ölfelder in Saudi-Arabien an. Der Angriff wurde von den Houthi-Rebellen im Jemen für sich beansprucht und ist Teil eines jahrelangen Konflikts in dieser Region des Persischen Golfs.
Saudische Quellen sprachen von einem Ausfall etwa der Hälfte der Ölproduktion des Landes, und die Auswirkungen auf die Rohölpreise waren unmittelbar: die Brent-Futures markierten innerhalb weniger Sekunden den größten Anstieg seit der Einführung im Jahr 1988, bevor sie sich stabilisierten. Die Aktienmärkte tendierten schwach, aber der Schock war nur von kurzer Dauer, da die Märkte auf Rally-Kurs waren, der von der expansiven Geldpolitik der Zentralbanken befeuert wurde. In den Massenmedien wurde 2019 als „außergewöhnliches Jahr“ bezeichnet, da alle wichtigen Anlageklassen nach oben tendierten.
Schocksichere Investitionen
Aber wie wir wissen: Einige Monate später sorgte der Ausbruch der Covid-19-Pandemie für einen großen Ausverkauf, dem wiederum eine Erholung der Aktienmärkte foklgte. Im Jahr 2022 brachen die Märkte unter der Straffung der Geldpolitik, dem Höhepunkt der Inflation und dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine zusammen, und die Anleger hatten nur sehr wenige „Verstecke“.
Diese Analyse von vergangenen geopolitischen Schocks hat uns gezeigt, wie unterschiedlich die Reaktionen je nach Situation waren. Letztes Jahr standen wir vor vielen Herausforderungen, nicht nur wegen des Krieges, sondern wie in anderen Phasen der Volatilität gab es auch eine emotionale Komponente, die zu einem Ausverkauf an den Märkten führte.
Wie Nicolò Bgirl, Associate Portfolio Manager von MIM, erklärt: „Geopolitische Risiken wirken sich indirekt durch eine Zunahme der Risikoaversion auf Portfolios aus, und es ist schwierig, im Voraus zu bestimmen, welcher Vermögenswert am stärksten betroffen sein wird.“
Was können wir als Anleger denn tun?
„Investitionen sind immer ein langfristiges Streben, und es ist so wichtig, sich das vor Augen zu führen, besonders in dem Moment, in dem wir uns alle angesichts der Marktbewegungen unwohl fühlen“, so Dan Kemp, globaler CEO von MIM. „Man muss langfristig denken, aber wo augenscheinlich Änderungen vorgenommen werden müssen, ist es wichtig, diese auch vorzunehmen und nicht einfach zu ignorieren, was vor sich geht.“
Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.