Europas Zentralbanken: Inflation, nicht Banken, sind unser Fokus

Trotz Turbulenzen rund um die Credit Suisse und den US-Bankensektor: europäische Zentralbanken - wie zuvor die US-Notenbank - haben in dieser Woche ihren Willen zur Bekämpfung der Inflation bekräftigt. Sorgen um angeschlagene Banken diesseits und jenseits des Atlantiks standen bei der Ausführung ihrer Mandate hinten an. Besonders bemerkenswert ist der Schritt der Schweizer.

Antje Schiffler 24.03.2023
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DrahtseilaktDie Europäische Zentralbank (EZB) war am 16. März die erste der großen Währungshüter, die mit ihrem Entscheid vorangehen musste, seit die jüngsten Sorgen im Finanzsektor -  angefangen bei der Silicon Valley Bank - an Fahrt aufnahmen. 

Sie entschied sich trotz all der aufgeflammten Unsicherheiten für den Schritt von 0,50 Prozentpunkten. Ihren Projektionen zufolge bleibe die Inflation für eine zu lange Zeit zu hoch, der Schritt sei gerechtfertigt. 

 

SNB: Zinserhöhung "absolut notwendig"

Bemerkenswert ist aber auch der Schritt der Schweizerischen Nationalbank (SNB), die trotz all der Verunsicherungen rund um die Übernahme des Traditionshauses Credit Suisse durch die UBS entstanden sind. Die Eidgenossen hielten ebenfalls an dem fest, was der Markt vor Verschärfung der Krise erwartet hatte. Die Eidgenossen zogen die Zinsschraube wie ihre Kollegen in Frankfurt um 0,5 Prozentpunkte an. 

Die SNB betont zwar einerseits: "Die vergangene Woche war von den Geschehnissen rund um die Credit Suisse geprägt. Bund, FINMA und Nationalbank haben mit ihren am Wochenende verkündeten Massnahmen der Krise Einhalt geboten." Doch in den folgenden Absätzen zu ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung fokussieren die Schweizer Geldpolitiker auf die Inflationsrate. 

Die jüngste Zinserhöhung sei "absolut notwendig" gewesen, sagte SNB-Chef Thomas Jordan, wie die Nachrichtenagentur awp berichtet. Er betonte zudem: "Ein Konkurs der Credit Suisse hätte schwerwiegende Folgen für die nationale und internationale Finanzstabilität und für die Schweizer Wirtschaft gehabt." Dies zu riskieren, wäre seiner Meinung nach verantwortungslos gewesen.

Er bezeichnete das Schweizer Finanzsystem als resilient und betonte, dass die Schweiz im Vergleich zu den USA deutlich geringe Inflationsraten aufweisen. Dies, so Jordan, mache die Zinseröhung nötig. "Straffen wir zu spät, müssen wir später viel stärker anziehen mit allen negativen Folgen", zitiert ihn die awp.

In der Schweiz lag die Inflation im Februar bei 3,4% und damit zwar deutlich tiefer als in den Ländern des Euroraums, aber immer noch deutlich über dem Zentralbankziel von unter 2%. 

Philipp Burckhardt, Portfolio Manager bei Lombard Odier Investment Managers, kommentierte am Donnerstag: „Eine anstrengende Woche neigt sich für die SNB langsam dem Ende zu. Heute hat der Fokus vorwiegend auf der geldpolitischen Ausrichtung gelegen und der Suche nach neuen Hinweisen, wann die SNB das Tempo der Leitzinserhöhungen drosseln wird."

"Angesichts der Turbulenzen und "des enormen Einflusses der Geschehnisse um die UBS und die Credit Suisse auf die gesamte Schweiz, sowohl auf Seiten der Investoren und Kunden, aber genauso auf Seiten der Arbeitnehmer, und der dadurch stark erhöhten Unsicherheit, hätte sich die SNB durchaus erlauben können, vorsichtiger vorzugehen und das Tempo ein wenig zurückzufahren", so Burckhardt. 

Aber die SNB entschied sich, auch weiterhin aggressiv gegen den Preisdruck vorzugehen. Dass sie sich nicht allzusehr um die Stabilität des Finanzsektor zu sorgen scheine, könne durchaus als postives Signal gewertet werden, gibt Burckhardt zu bedenken. 

Ebenso wertet dies die Commerzbank. Der Entscheid war ein starkes Signal, heißt es aus Franfurt. Die Notenbank hat ihre Schätzungen zur Inflation zugleich angehoben auf nun 2,6% (vorher2,4%) für 2023 und 2% (vorher 1,8%) für 2024. Für den nächsten Zinsentscheid im Juni erwartet die Commerzbank daher eine weitere Straffung von 25 Basispunkten. 

 

BoE: 25 Basispunkte nach oben

Auch die Bank of England ließ sich nicht zu stark von Sorgen rund um Banken beeinflussen und verkündete - ebenfalls Donnerstag -, den Leitzinssatz um 25 Basispunkte auf nun 4,25% anzuheben. Dies folgte ernüchternden Zahlen zur Inflation: die jüngsten Zahlen für den Februar zeigen ein Plus von 10,4% auf Jahressicht. Dies sind 0,6 Prozentpunkte mehr als vom Markt erwartet. Die Zustimmung des Geldpolitischen Ausschusses (MPC) innerhalb der BoE war allerdings nicht einstimming gefallen: 2 der 9 Mitglieder hatten sich dafür ausgesprochen, den Zins unverändert zu lassen. 

Weitere Zinsschritte behielt sich die Bank vor, die Einschätzungen liegen auseinander. Laut Katherine Neiss, Europäische Chefvolkswirtin bei PGIM Fixed Income, nahm die Bank einen taubenhafteren Ton an. Der Zentralbankvorsitzende vermittelte den Eindruck, dass der MPC „mehr Beweise“ für Gefahren im Zusammenhang mit zusätzlichem Inflationsdruck sehen müsse, um die Zinsen weiter zu erhöhen. "Diese Botschaft hat der Markterholung Auftrieb gegeben, die sich in den kommenden Wochen noch verstärken könnte, wenn die Datenlage weitere Anzeichen einer Abschwächung erkennen lässt“, so Neiss.

Auch die norwegische Notenbank hob am Donnerstag den Zins an - um 0,25 Prozentpunkte auf 3%. Die Inflation liege deutlich über dem Zielwert. Das Wachstum der norwegischen Wirtschaft verlangsame sich, aber die Wirtschaftstätigkeit bleibt hoch. Der Arbeitsmarkt ist angespannt, und das Lohnwachstum nimmt zu, hieß es dazu. "Die künftige wirtschaftliche Entwicklung ist mit großer Unsicherheit behaftet, aber wenn die Entwicklung so verläuft, wie wir es jetzt erwarten, wird der Leitzins im Mai weiter angehoben werden", so Gouverneurin Ida Wolden Bache.

Bereits am Mittwochabend hatte die US-Notenbank die Zinssätze 0,25 Prozentpunkte angehoben und damit auf den höchsten Stand seit 2007. Die Fed ringt nun um den besten Kurs für die Zukunft - denn die Risiken aus hoher Inflation und Finanzkrisenrisiko sind ein Drahtseilakt. "Die Fed geht davon aus, dass sie die Zinssätze bis Ende 2023 auf einem Plateau von etwa 5 % halten wird. Wir glauben aber, dass die Zinssätze danach wahrscheinlich stark sinken werden", betont Preston Caldwell, Senior Economist für die USA bei Morningstar. 

 

 

 

 

 

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.