Zalando (ZAL) gibt es seit 2008, das Unternehmen hat mehr als 50 Millionen aktive Kunden. Wer sich diese Zahlen vor Augen hält, erkennt, zu welchem Giganten sich die deutsche Online-Modeplattform in den letzten 15 Jahren entwickelt hat. Vor allem, wenn man liest, dass der Konzern vor zweieinhalb Jahren "nur" 35 Millionen aktive Kunden hatte.
Auch das Angebot der Modeplattform, die in 23 europäischen Ländern aktiv ist, ist in dieser Zeit explodiert: Im Jahr 2020 gab es dort Kleidung von über 2.500 Marken, heute sind es mehr als 7.000. So heißt es in einem neuen Bericht der Morningstar-Aktienanalystin Yelena Sokolova, die den Mode- und Luxusgütersektor beobachtet. Auf breiterer Basis betrachtet wächst der Marktanteil von Zalando auf dem europäischen Online-Modemarkt jedoch weniger spektakulär: von 10% im Jahr 2020 auf jetzt 12%.
Die Analystin glaubt jedoch, dass die Zeit für Zalando arbeiten wird: Jedes Jahr steigt der Anteil der online verkauften Mode im Vergleich zu den in den Geschäften gekauften Kleidungsstücken leicht an. Sokolova glaubt daher, dass das Verhältnis bis 2033 etwa 50:50 sein wird.
Riesiges Marketingbudget
Natürlich ist dies nur eine Schätzung, denn unerwartete Umstände können der Entwicklungen hin zum Online-Kauf mitunter einen enormen Schub verleihen. Dies zeigte sich in den letzten Jahren nach dem weltweiten Ausbruch der Corona-Pandemie Anfang 2020. Wurden bis dahin 19 % aller Kleidungsstücke online gekauft, stieg dieser Anteil angesichts der Lockdowns, geschlossenen Geschäfte und des in den Taschen der Verbraucher gehorteten Geldes schnell auf aktuell 30%.
Sokolova glaubt, dass mit dem Wachstum des gesamten Online-Modemarktes der Marktanteil von Zalando (bezogen auf den Bruttowert seiner Waren) im Jahr 2030 von 12% auf 20% steigen wird. Dabei hilft auch das riesige Marketingbudget, denn das ist mehr als dreimal so groß wie etwa das des britischen Konkurrenten Asos.
Zudem tut das 2008 von den Brüdern Alexander (45), Oliver (47) und Marc (49) Samwer gegründete Unternehmen viel dafür, das Einkaufen bei Zalando einfacher und attraktiver zu machen. Zum Beispiel, indem es die Rücksendung von Artikeln einfach und günstig gestaltet oder eine Bestellung noch schneller ausliefert.
Die Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer (von links nach rechts).
Die Modeplattform mit Hauptsitz in Berlin versucht außerdem, die Chance zu erhöhen, dass ein Kunde etwas in der richtigen Größe bestellt. Zum Beispiel durch die Bereitstellung weiterer Informationen zu Passform und Maßen sowie durch praktische Online-Tools, mit denen Kunden überprüfen können, ob etwas passt und gut aussieht.
Darüber hinaus werden Online-Modekonzerne à la Zalando immer besser darin, maßgeschneiderte Angebote zu versenden, die genau zum individuellen Kundenprofil passen. Das gelingt auch, weil die Plattform in den letzten fünfzehn Jahren eine beispiellose Menge an personenbezogenen Daten gesammelt hat, die sie bis ins letzte Detail analysiert und für ihr Marketing nutzt.
Wettbewerber Amazon
Andererseits hat Zalando große Konkurrenz, insbesondere durch das US-amerikanische Amazon (AMZN). Auch dieser Online-Handelsriese verfügt wie Zalando über große Skaleneffekte, riesige Mengen an personenbezogenen Daten und über viel Geld, das in Marketing und Innovation investiert werden kann.
Tatsächlich schneidet Amazon besser ab als Zalando, wenn es darum geht, wer über die stärksten Netzwerkeffekte (z. B. Größe) und immaterielle Vermögenswerte verfügt. Allerdings fehlt Amazon noch der scharfe Kennerblick, der nötig ist, um ein starkes Portfolio an Modemarken für die Handelsplattform zusammenzustellen, sagt Sokolova.
Darüber hinaus würden einige große Marken zögern, Geschäfte mit Amazon zu machen. Dies aus Angst, dass sie ihre Produkte im Großverkauf günstiger verkaufen müssten. Die Morningstar-Analystin glaubt jedoch, dass dies alles Mängel sind, die die US-Superplattform problemlos beheben könnte.
Zalando: Große Investitionen
Allerdings hat Sokolova auch allerlei positive Beobachtungen zu Zalando, beispielsweise zum künftigen Wachstum der Gewinnmarge. Dieses Wachstum ist aufgrund positiver Entwicklungen wie beispielsweise geringerer Lagerkosten möglich. Denn die Warenhäuser, in denen Zalando Bestände lagert und von wo aus die Bestellungen versendet werden, werden immer größer und die Auftragsabwicklung wird zunehmend automatisiert, was die Kosten senkt.
Auch setzt Zalando seit Jahren auf einen starken Ausbau der Lageranzahl. Dadurch entsteht ein immer feinmaschigeres Netzwerk und die Entfernung zwischen Lager und Kunde verringert sich – was die Versandkosten senkt. Neben größeren Lagern investiert Zalando bewusst einen Teil seines Geldes in kleine Lager, die nah am Kunden sind, damit Bestellungen noch am selben Tag geliefert werden können.
Gerade Millennials würden großen Wert auf Letzteres legen – viel mehr als Babyboomer, so eine Recherche von KPMG, schrieb Sokolova letztes Jahr in einer früheren Analyse über Zalando. Millennials sehen bereits einen Grund, eine Bestellung zu stornieren, wenn diese nicht am selben Tag geliefert wird.
Amazon vs. Zalando
Wie sieht es aus mit dem fairen Wert von Zalando im Vergleich zum Börsenwert – und wie ist es bei Amazon und dem englischen Asos? Zunächst einmal: Im vergangenen Monat senkte Analystin Sokolova den Fair Value von Zalando, das seit 2014 an der Börse notiert, deutlich von 65 Euro auf 55 Euro je Aktie.
Grundlage war die finanzielle Entwicklung für das Gesamtjahr 2023, die ihrer Meinung nach niedriger ausfallen wird als erwartet. Dies wiederum hängt unter anderem mit der sich verschlechternden Wirtschaftslage und den steigenden Zinsen zusammen, die es schwierig machen, sich günstig Geld zu leihen. All dies wirkt sich auf das Vertrauen der Verbraucher in die Wirtschaft aus – und damit auf ihre Bereitschaft, Geld für Kleidung auszugeben.
Trotz der Reduzierung des Fair Value auf 55 Euro ist der Abstand zwischen diesem Fair Value und dem aktuellen Aktienkurs aufgrund des rückläufigen Kurses zuletzt deutlich gewachsen. Am Freitagmittag, 21. Juli, lag der Preis bei rund 30,9 Euro und damit deutlich niedriger als zu Beginn dieses Jahres, als der Preis noch bei rund 45 Euro lag. Im Februar wendete sich das Blatt und der Aktienkurs begann zu fallen.
Wer also Sokolovas Einschätzung zu Zalando einschließlich des fairen Wertes von 55 Euro pro Aktie teilt, kann daraus schließen, dass die Aktie an der Börse inzwischen stark unterbewertet ist. Bei Amazon ist die Situation grundsätzlich anders: Bei dieser Aktie liegen der aktuelle Kurs von rund 134 US-Dollar und der Fair Value von 137 US-Dollar nahe beieinander – insofern gibt es für Anleger keinen großen Gewinn, wenn sie die Aktie jetzt kaufen.
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