Die EZB kündigte an, dass sie den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 4,24% anheben wird, die neunte Anhebung in Folge - alle innerhalb eines Jahres.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab keine Forward Guidance für die September-Sitzung. "Wir sind nicht im Bereich der Forward Guidance", sagte sie und betonte, dass der EZB-Rat weitere Entscheidungen auf der Grundlage der eingehenden Daten treffen werde, denn er sei weiterhin entschlossen, die Inflation mit den verfügbaren Mitteln zu bekämpfen.
Die Aktienmärkte zeigten sich fester nach diesem Schritt, der allgemein erwartet worden war. Der Euro machte seinen jüngsten Aufwärtstrend wieder rückgängig und fiel unter die Marke von 1,11 gegenüber dem US-Dollar.
Im Juni ließ der Inflationsdruck in der Eurozone zwar nach, hielt sich aber bei 5,5 % und damit mehr als doppelt so hoch wie das Ziel der EZB. "Die Entwicklungen seit der letzten Sitzung stützen die Erwartung, dass die Inflation im weiteren Verlauf des Jahres weiter zurückgehen, aber für einen längeren Zeitraum über dem Zielwert bleiben wird. Während einige Messgrößen Anzeichen für eine Abschwächung zeigen, bleibt die zugrunde liegende Inflation insgesamt hoch", sagte Lagarde.
Die vergangenen Zinserhöhungen wirken aber weiter: So haben sich die Finanzierungsbedingungen verschärft und dämpfen zunehmend die Nachfrage, was ein wichtiger Faktor für die Rückkehr der Inflation zum Zielwert ist.
"Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass sich die geldpolitische Straffung erst noch in vollem Umfang auf die Wirtschaft auswirken muss. Die Kreditstandards wurden seit Anfang 2022 wiederholt verschärft, und das Kreditwachstum, das zu den besten vorausschauenden Wirtschaftsindikatoren gehört, hat sich seit dem Jahreswechsel ins Negative gedreht", schrieb Danske Bank Investment Research in einer Notiz vor der Zinsentscheidung.
Die Ökonomen betonen, dass das Ungleichgewicht zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage nach wie vor den Grundstein für eine längere Periode hohen Lohnwachstums im Euroraum legt und damit die Sorge besteht, dass sich die Inflation letztlich vom EZB-Ziel abkoppeln könnte.
Dovishe Töne auf Frankfurt?
Dave Chappell, Fixed Income Senior Portfolio Manager bei Columbia Threadneedle, erkennt "dezente Änderungen am Ton der jüngsten geldpolitischen Erklärung". Diese ließen darauf schließen, dass die Zinssätze jetzt auf oder zumindest nahe dem Niveau sind, das der Ausschuss für "ausreichend restriktiv" hält, um die Inflation dem mittelfristigen Ziel von 2% anzunähern.
Die US-Wirtschaft hat die bisherige Verschärfung der finanziellen Bedingungen und den Zusammenbruch einiger Banken überstanden, und verblüffte mit ihrer Widerstandsfähigkeit. Die Eurozone dagegen konnte sich aus der Kontraktion in den letzten neun Monaten kaum herauswinden. Zusätzlich deuten die jüngsten Einkaufsmanagerindizes und die Umfrage zu den Kreditbedingungen darauf hin, dass Wachstum weiterhin hart erkämpft werden muss – und das, obwohl die Arbeitslosigkeit einen historischen Tiefpunkt erreicht hat. "Die EZB sollte also erkennen, dass ihre Geldpolitik Wirkung zeigt. Zukünftige Sitzungen dürften sich um die Frage drehen 'Wann pausieren wir mit den Zinsschritten?' und nicht mehr um 'Wie viele Zinserhöhungen brauchen wir noch?'", so Chappell.
Laut Jack McIntyre, Portfoliomanager bei Brandywine Global / Franklin Templeton, ist diese Zinserhöhung im Gegensatz zur US-Notenbank weniger dovish, da die EZB die Straffung der Geldpolitik offensichtlich noch nicht abgeschlossen hat, die US-Notenbank hingegen möglicherweise schon.
"Die Inflation in der Eurozone entwickelt sich nicht gut. Im Gegensatz zu den USA hat der Arbeitsmarktsektor in der Eurozone einen strukturellen Vorteil, was die Anfälligkeit für lohninduzierte Inflation erhöht", so McIntyre. "Die EZB gehört nun zu den Zentralbanken, welche die kumulativen Auswirkungen früherer Straffungsmaßnahmen beobachten und auf die Daten angewiesen sind. Sie hat jedoch noch etwas Zeit, um die Wirksamkeit ihrer Zinserhöhungen zu beobachten, da ihre nächste Sitzung erst am 14. September stattfindet."
Katharine Neiss, Chief European Economist bei PGIM Fixed Income, glaubt, dass die Zinsen im Euroraum ihren Höhepunkt erreicht haben. Die begleitenden Statements waren deutlich ergebnisoffener und dovisher als erwartet. "Die bemerkenswerte Änderung im Tonfall im Vergleich zur EZB-Sitzung im Juni trägt den jüngsten schwachen Daten Rechnung", so die Ökonomin.
US-Notenbank hebt Zinsen ebenfalls um 0,25 Prozentpunkte
Wie allgemein erwartet, hatte die US-Notenbank am Vortag den Leitzins bereits um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Damit stieg er auf ein Zielband von 5,25 % bis 5,5 %, das dem zuletzt von 2006 bis 2007 erreichten Wert entspricht.
Die Anhebung war trotz positiver Inflationsdaten erwartet worden. So stiegen die US-Verbraucherpreise im Juni 2023 im Jahresvergleich nur um 3,1%. Die Teuerungsrate lag damit drastisch von einem Höchststand von 8,9% aus dem Juni 2022. Die Kerninflation stieg im Berichtsmonat im Vergleich zum Vormonat nur um 0,2%, nachdem sie zuvor im Jahr 2023 durchschnittlich um 0,4 % gestiegen war.
Fed wählt zwar andere Worte, aber die Zinspause dürfte kommen
"Die Fed reagiert nie nur auf die Daten eines Monats (wie Powell häufig betont), also wird es mehr brauchen, um ihre Einschätzung der Inflation zu ändern", sagt Preston Caldwell, leitender US-Volkswirt bei Morningstar. Er rechnet damit, dass die Fed die Zinsen im Jahr 2024 sobald die Inflation nachlässt stark senken wird.
"Wenn sich die Inflation normalisiert und das Wirtschaftswachstum bis Anfang 2024 unter dem Normalwert liegt, werden beide Teile des doppelten Mandats der Fed Zinssenkungen signalisieren. Wir gehen daher davon aus, dass die erste Zinssenkung im Februar 2024 erfolgen wird, gefolgt von steilen Zinssenkungen bis Mitte 2025, um den Zinssatz wieder auf 1,5-1,75 % zu senken", fügt er hinzu. Dies liegt deutlich unter den Erwartungen des Marktes und der Fed selbst, die beide davon ausgehen, dass der Zinssatz Mitte 2025 bei etwa 3,5 % liegen wird - etwa 200 Basispunkte höher als nach Einchätzung von Caldwell.
Die Inflation ist bereits rückläufig, was auf Verbesserungen auf der Angebotsseite der Wirtschaft zurückzuführen ist. Caldwell erwartet in den kommenden Berichten weitere positive Nachrichten zur Inflation. "Trotz der jüngsten Projektionen der Fed, die eine weitere Zinserhöhung im Jahr 2023 vorsehen, glauben wir, dass die Fed mit der Zinserhöhung durch ist. Die Futures-Märkte für Federal Funds stimmen mit dieser Einschätzung überein", sagt er.
Er rechnet auch damit, dass sich das Wirtschaftswachstum in der zweiten Jahreshälfte 2023 und in der ersten Jahreshälfte 2024 weiter abschwächen wird, was unter anderem auf eine Verlangsamung der Kreditvergabe der Banken (eine verzögerte Auswirkung der Zinserhöhungen) und eine vorsichtigere Ausgabenpolitik der privaten Haushalte zurückzuführen ist. Dies wird einen weiteren Abwärtsdruck auf die Inflation ausüben.
Der Arbeitsmarkt dürfte sich ebenfalls abkühlen und den Druck auf die Löhne verringern. "Wir erwarten keine Rezession, obwohl sie möglich ist, aber wir erwarten eine Periode unterdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums", sagt Caldwell.
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