James Gard hat in diesem Sommer nicht nur Japanisch gelernt, sondern sich auch mit japanischen Fondsmanagern getroffen. Hier schreibt er über das, was er dabei gelernt hat.
In diesem Jahr erreichte der Nikkei-Index ein 33-Jahres-Hoch, und die Stimmung ausländischer Investoren ist nach wie vor gut. Was sie jedoch oft übersehen, ist die japanische Unternehmensführung. Sie tun das auf eigenes Risiko, denn Corporate Governance ist ein zentraler Bestandteil für das wieder aufkeimende Interesses an diesem Markt.
Es ist ohne Zweifel schwer zu verstehen, was in Japans Unternehmenswelt vor sich geht, und es gibt viele Hindernisse. Eines davon ist die Zeitverschiebung; Sprache und Unternehmenskultur sind zwei weitere.
Erstens neigen japanische Unternehmen dazu, ihre Berichte dann zu veröffentlichen, wenn wir noch schlafen, und zweitens ist es ohne Sprachkenntnisse schwierig, ihre Börsenmitteilungen zu verstehen.
Die globale Reichweite japanischer Marken wie Sony, Nintendo oder Asics erweckt den Anschein von Vertrautheit, aber abgesehen von den Kursschwankungen sind die meisten Menschen nicht ausreichend mit den Unternehmensereignissen vertraut, um sich ein fundiertes Urteil bilden zu können. Eine flüchtige Kenntnis dessen, "was der Nikkei tut", ist meist schon alles.
Kein Wunder also, dass internationale Anleger lieber Fonds kaufen und ihr Geld Fondsmanagern anvertrauen. Noch weniger verwundert es, dass sie das im Falle Japans tun.
Momentum aufbauen
In Folge der wachsenden ESG-Begeisterung werden Unternehmen in reifen Aktienmärkten in einer Reihe von Bereichen genau unter die Lupe genommen. Japan ist da keine Ausnahme.
Auf nationaler Ebene gilt Japan als ein sehr fortschrittliches Land mit einem hohen Bildungs-, Einkommens- und Beschäftigungsniveau. Was das "E" betrifft, gehört Japan zu den Ländern, die Nettonull-Emissionen anstreben. Aber der Streit über die Einleitung von Abwässern aus dem Kernkraftwerk Fukushima konsterniert Umweltgruppen und beeinträchtigt das öffentliche Image des Landes.
Und das "G"? Die Saison der Jahreshauptversammlungen ging gerade zu Ende, und nach Angaben des Börsenbetreibers JSE haben seit Anfang Juni mehr als 2.000 Unternehmen Zahlen vorgelegt.
Bei der Corporate Governance gilt Japan als Nachzügler, zumindest nach westlichen Maßstäben. Fondsmanager beschwerten sich in der Vergangenheit über mangelnde Transparenz und Offenlegung, über eine Kultur, in der Kleinaktionäre oft von Großaktionären wie Familien und Gründern überstimmt werden, sowie über verwirrende Netzwerke von Geschäftsbeziehungen im Rahmen des "keiretsu"-Systems mit sich überschneidenden Verpflichtungen. Zudem hat es einige Unternehmensskandale gegeben, wie z. B. bei Olympus. Und Frauen sind in den Führungsetagen nur schwach vertreten.
Aber ist es fair, dieses Land mit seinen westlichen Wettbwerbern zu vergleichen? Manchmal ist es schwer zu verstehen, wie weltweit anerkannte Standards für die Unternehmensführung auf ein Land mit einer so ausgeprägten Kultur wie Japan übertragen werden können. Außerdem verdecken nationale Stereotypen die subtileren kulturellen und unternehmerischen Veränderungen.
Eine Geschichte der japanischen Unternehmensführung würde Bücher füllen. Die meisten Fondsmanager verweisen stattdessen auf den Stewardship- und Governance-Kodex von 2012 als den entscheidenden Wendepunkt für japanische Unternehmen.
Vorangetrieben wurden die Änderungen vom ehemaligen Premierminister Shinzo Abe als Teil seiner "Drei-Pfeile"-Reformen, die eine Welle ausländischer Investitionen in das Land spülte.
Als die Aktienmarktgewinne jedoch an Schwung verloren, schwand das Interesse, und "ausländische Investoren wurden durch das Tempo der Veränderungen frustriert", so Miyako Urabe, Co-Managerin des JPMorgan Japanese Investment Trust [JFJ] und Managerin des JPMorgan Japan Small Cap Growth and Income [JSGI].
Auch wenn westliche Investoren die Geduld verloren: Die Reformen wurden trotzdem fortgesetzt, der Wandel ist da.
"Mit der Zeit verstärkte sich die Dynamik allmählich", sagt Urabe. "Die Veränderungen in der Corporate Governance begannen von einem relativ niedrigen Niveau aus, aber es ist ein Wandel, der seit mindestens 10 Jahren anhält", fügt sie hinzu.
Keine Nachzügler
Wie bei allen Reformen braucht eine Evolution jedoch kleine Extras. Eines davon kam in diesem Jahr in Form eines Erlasses der Tokioter Börse an solche Unternehmen, die unter ihrem Buchwert notieren, d.h. an jene, die angesichts ihres wahren Werts als zu billig gelten.
Im Wesentlichen wurden die Unternehmen aufgefordert, ihre Ideen in die Tat umzusetzen und zu erklären, was sie zu tun gedenken, um ihre Aktienkurse zu steigern. Urabe bezeichnet das eher als eine "Mitteilung" denn als eine harte Regel, aber es wurde deutlich, dass die Unternehmen es sehr ernst nahmen. Die Ergebnisse zeigen sich seither in Form von Unternehmensmaßnahmen und Aktienkurssteigerungen.
James Salter, Gründer von Zennor, einer auf Japan spezialisierten Fondsboutique, geht weiter und bezeichnet den Schritt der TSE als "Rakete", die unter den heimischen Unternehmen gezündet wurde, und als Katalysator für Veränderungen. Ivailo Dikov, Leiter der Abteilung für japanische Aktien bei Eastspring, stimmt zu und meint, dass die Börse eine Verhaltensänderung bei japanischen Unternehmen bewirkt hat, ein Trend, der sich fortsetzen kann.
Die Unternehmen wollen keine Nachzügler sein, und es gibt viele einfache Möglichkeiten für sie, ihre Bereitschaft zu zeigen, sagt er. Die japanischen Unternehmen bringen ihr Haus in Ordnung.
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