Man könnte meinen, dass Unternehmen, die Lithium aus Minen oder Salzseen gewinnen, derzeit hohe Gewinne erzielen. Immerhin ist Lithium ein zentraler Bestandteil von Autos und Batterien. Die Energiewende braucht Lithium.
Außerdem ist das Angebot an Rohlithium begrenzt - viel mehr als die erwartete Nachfrage. Die Realität sieht etwas trüber aus. Die Betreiber von Lithiumminen sind in einer schlechten Verfassung, nicht nur was die Aktienkurse, sondern auch was die realen Gewinne angeht.
Nehmen Sie Albemarle. Das Unternehmen mit Hauptsitz in North Carolina ist der weltweit größte Lithiumlieferant. Sein Aktienkurs stürzte von rund $237 Ende Juli auf jetzt bescheidene $127 ab.
Ähnlich düster ist die Lage beim zweitgrößten Lithiumförderer der Welt, der chilenischen Sociedad Quimica y Minera (SQM). Vor etwa einem Jahr wurde das Unternehmen an der New Yorker Börse mit fast $100 pro Aktie gehandelt. Inzwischen hat sie sich auf etwa $51 halbiert. Warum?
Zum einen sind die Lithiumproduzenten stark von den niedrigen Lithiumpreisen betroffen. Im Dezember 2022 wurde Lithium noch mit $75.000 pro Tonne gehandelt, aufgrund der sinkenden Nachfrage und des Abbaus von Lagerbeständen sank der Preis inzwischen jedoch auf $23.000. Der Wandel wird Zeit brauchen. Morningstar-Aktienanalyst Seth Goldstein, der Lithiumminen beobachtet, erwartet, dass sich die Preise gegen Ende 2023 stabilisieren und ab 2024 wieder steigen.
Nach Enttäuschung graben
Nach den Ergebnissen des dritten Quartals setzten die Börsenkurse großer Lithiumproduzenten in diesem Monat ihre Talfahrt fort. So lag etwa der durchnschnittliche Preis, den SQM im letzten Quartal von den Käufern für das Edelmetall erhielt, um 47% niedriger als im gleichen Quartal des Vorjahres. Zumindest bei SQM führte das zu einem satten Einbruch des EBITDA um 53% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Bei Albemarle lag das EBITDA sogar um 62% niedriger als in Q3 2022. Das Unternehmen sieht sich nun gezwungen, seinen EBITDA-Ausblick für 2023 zu reduzieren: Es geht nicht mehr von einer Spanne von $3,8 bis 4,4 Milliarden aus, sondern von $3,2 bis 3,4 Milliarden. Goldstein erwartet $3,2 Milliarden. Albemarles EBITDA im Jahr 2022 lag bei $3,5 Milliarden.
Albemarle erwartet, in diesem Jahr 30% mehr Lithium zu produzieren und zu verkaufen als im letzten Jahr. Aber wenn der Preis pro Tonne so niedrig bleibt wie jetzt oder sogar noch weiter fällt, ist das keine gute Nachricht. Albemarle selbst geht davon aus, dass die Preise um 15% steigen, aber das ist eine fragwürdige Annahme. Wenn die neuen Lagerbestände schneller auf den Markt kommen, als die Nachfrage steigt, wird das die Rentabilität beeinträchtigen.
Lithium-Unternehmen: Eine Fall für Value Investing
Zumindest in diesem Punkt teilt Goldstein nicht die düsteren Aussichten, die viele Anleger hegen. Seiner Meinung nach konzentrieren sich die Anleger zu sehr auf die nahe Zukunft, die nur einen kleinen Teil der Gesamtgeschichte ausmacht. Die Frage ist nicht "Wann bekommen wir unser Geld?", sondern "Wie schnell wird die Nachfrage steigen?"
Morningstar erwartet nun, dass die Lithiumnachfrage um 20% pro Jahr steigt. Laut Goldstein dürfte die Produktion von etwa 800.000 Tonnen im letzten Jahr auf 2,5 Millionen Tonnen im Jahr 2030 steigen. Der Analyst geht zudem davon aus, dass sich die Lithiumpreise bis Ende dieses Jahres stabilisieren werden. Im nächsten Jahr dürften sie dann wieder steigen. Außerdem erwartet er, dass die Lithiumpreise bis 2030 über $12.000 pro Tonne liegen werden. Langfristig rechnet er mit einem Durchschnittspreis von rund $30.000 pro Tonne.
Wird Albermarle gewinnen?
Albemarle ist in der Lage, von diesem Trend zu profitieren, argumentiert Goldstein, da seine Produktionskosten niedriger sind als die anderer Lithiumproduzenten. Dieser Vorteil ergibt sich aus den Abbaurechten, die Albemarle für den Salar de Atacama besitzt, einen riesigen Salzsee in Chile, in dem Lithium durch das Verdampfen von Salzlauge gewonnen wird. Die Region ist eines der trockensten Gebiete der Erde mit minimalen Niederschlägen und weist die höchste Lithiumkonzentration der Welt auf.
Auch dies ist eine langfristige Sichtweise. Goldstein ist seit langem positiv zu Albemarle eingestellt, was zum Teil auf die solide Finanzlage des Unternehmens zurückzuführen ist. Die Nettoverschuldung und der Bruttogewinn (vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) sind robust, was darauf hindeutet, dass das Unternehmen seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen und gleichzeitig weiterhin Dividenden zahlen kann.
Die Finanzkraft von Albemarle bleibt trotz der umfangreichen geplanten Investitionen zur Steigerung der Produktion auch an bestehenden Standorten intakt. Das Unternehmen kann diese größtenteils aus seinen Erträgen finanzieren, so dass nur eine minimale externe Kreditaufnahme erforderlich ist. Außerdem könnte Albemarle seine Barreserven für neue Akquisitionen nutzen; Investmentbanker sehen für die nächsten Jahre eine Welle von Fusionen und Übernahmen voraus.
SQM: Plan zur Verstaatlichung
SQM profitiert wie Albemarle von der Ausbeutung von Salzseen. Die Gewinnung von Lithium aus Lauge ist wesentlich schneller und rentabler als der teure Abbau von Lithium.
Allerdings läuft die Lizenz von SQM für den Salar de Atacama viel früher aus als die von Albemarle - im Jahr 2030. Das ist ein Risiko, weil die chilenische Regierung im letzten Frühjahr angekündigt hat, die Lithiumförderung schrittweise zu verstaatlichen. Angesichts der konservativen Ausrichtung des chilenischen Kongresses, ist Goldstein der Ansicht, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Regierung damit Erfolg hat, ebenso hoch ist wie die Möglichkeit, dass es nicht geschieht.
Darüber hinaus ist SQM nicht nur von den Einnahmen aus Chile abhängig, sondern beispielsweise auch an der Lithiumgewinnung aus einer australischen Mine durch ein Joint Venture mit Wesfarmers beteiligt. Die Kosten für dieses Projekt sind relativ niedrig, aber höher als bei Salar de Atacama.
Zwei Lithium-Giganten unterbewertet
Abschließend noch ein Blick auf die Bewertungen der Aktien. Beide sind an der Börse unterbewertet, Albemarle jedoch stärker als SQM. Am 17. November lag der Schlusskurs von SQM bei $50,66, verglichen mit einem Fair Value von $95. Für Albemarle liegen diese Zahlen bei $127,39 im Vergleich zu $300.
Und die besonders gute Nachricht für Albemarle-Aktionäre? Sein Status als Dividendenaristokrat. Seit 1995 hat das Unternehmen jedes Jahr eine höhere Dividende pro Aktie gezahlt. Goldstein geht davon aus, dass das auch in Zukunft eine Priorität für das Management des Unternehmens bleibt.
Der Kurs von SQM schwankt unterdessen um $50 im Vergleich zu einem fairen Wert von $95. Goldstein ließ seinen fairen Wert nach den jüngsten Quartalszahlen unverändert.
Bei Albemarle hat Goldstein den fairen Wert von $350 auf $300 gesenkt, um die kurzfristigen Auswirkungen des Preisrückgangs bei Lithiums zu berücksichtigen. Aber auch nach dieser Senkung liegt der Fair Value noch immer deutlich über dem aktuellen Kurs von rund $127.
Rentsje de Gruyter ist freie Mitarbeiterin und schreibt für die Morningstar EMEA Redaktion
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