Antje Schiffler: Bei mir ist heute Tancrede Fulop. Er ist unser Aktienanalyst für den europäischen Versorgersektor. Herzlich willkommen, Tancrede. Vielen Dank, dass du da bist.
Der Sektor hat im Jahr 2023 etwas schlechter abgeschnitten als der breite Markt. Und das Jahr 2024 für einige Aktien des Sektors einen schlechten Start hingelegt. Nehmen wir zum Beispiel RWE, die Aktie ist um rund 25% gefallen. Was hat sich dort abgespielt?
Tancrede Fulop: Hallo, Antje. Es gibt zwei Hauptgründe für die schwache Performance des Sektors im laufenden Jahr. Der erste ist der Rückgang der Großhandelspreise für Strom um etwa 30%. Dieser Rückgang der Strompreise wurde durch den Rückgang der Gas- und CO2-Preise aufgrund eines milden Winters und auch durch eine schwache Stromnachfrage verursacht.
Der zweite Grund für die schwache Performance des Sektors ist ein Anstieg der Zinssätze zu Beginn des Jahres, da die Inflation etwas langsamer zurückging als erwartet. Und RWE gehört zu den schwächsten europäischen Versorgern, weil die Strompreise so stark schwanken, dass das Unternehmen Ende Januar sagte, es werde das untere Ende seiner Prognose für 2024 erreichen.
RWE könnte von Berliner Kraftwerksstrategie profitieren
Schiffler: Es gab einige Änderungen in der deutschen Herangehensweise an neue Stromerzeugungs-Kapazitäten. Die Regierung hat einen Kapazitätsmechanismus für die neuen Gaskraftwerke eingeführt. Könnte RWE davon profitieren?
Fulop: Ja, RWE beabsichtigt, sich an diesen Auktionen zu beteiligen. Wenn sie erfolgreich sind, wird das zusätzliche Erträge bringen. Die Investitionen, die RWE für diese neuen Gaskraftwerke plant, wenn sie den Zuschlag erhalten, machen etwa 5 % der Gesamtinvestitionen des Konzerns bis 2030 aus, sind also nicht so bedeutend.
Eine andere Sache, die sich jedoch positiv auswirken könnte, ist die Einführung eines Kapazitätsmechanismus für bestehende Kraftwerke in Deutschland, insbesondere für Gaskraftwerke. Das wird sich für RWE positiv auswirken.
Wichtige Morningstar-Kennzahlen für die RWE-Aktie
- Fair Value-Schätzung: 55,00 EUR
- Letzer Schlusskurs: 30,97
- Morningstar Rating: ★★★★★
- Morningstar Economic Moat Rating: None
- Morningstar Uncertainty Rating: Medium
Engie: Attraktive Dividende
Schiffler: Wenn wir uns nun die europäischen Märkte insgesamt ansehen, was wären Ihre bevorzugten Aktienauswahlen auf dem europäischen Markt?
Fulop: Ja. Die europäischen Versorger sind derzeit mit durchschnittlich 14% deutlich unterbewertet. Viele Namen, die ich betreue, sind also deutlich unterbewertet. Ich würde sagen, meine beiden Favoriten sind Engie (GZF) und RWE (RWE).
Bei beiden hat der Markt ihre Abhängigkeit von den Strompreisen überschätzt. Diese Sensitivität ist geringer als in der Vergangenheit und wird dank der Entwicklung neuer Kapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien, die nur in geringem Maße von den Strompreisen auf dem Handelsmarkt abhängig sind, weiter sinken. Beide Unternehmen sind große Entwickler von erneuerbaren Energien.
RWE hat eine starke Präsenz in den USA, die dank des Inflation Reduction Act ein attraktiver Markt ist. Und Engie ist ein großer Dividendenzahler. Die Dividende, die das Unternehmen für die Ergebnisse des Jahres 2023 zahlen wird, impliziert eine Rendite von 10%. Außerdem ist die Equity Story von Engie nach der Übertragung der Nuklearrückstellungen an den belgischen Staat risikoärmer geworden.
Schiffler: Vielen Dank, Tancrede, für diese Einblicke. Für Morningstar, ich bin Antje Schiffler.
Wichtige Morningstar-Kennzahlen für die Engie-Aktie
- Fair Value-Schätzung: 18,00 EUR
- Letzer Schlusskurs: 14,95 EUR
- Morningstar Rating: ★★★★
- Morningstar Economic Moat Rating: None
- Morningstar Uncertainty Rating: Medium
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