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EZB senkt ewartungsgemäß Zinsen, hebt Inflationsausblick

Die Europäische Zentralbank hat die Hoffnungen auf einen steilen Zinssenkungspfad gedämpft. 

Antje Schiffler 06.06.2024
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Christine Lagarde

In einer weithin erwarteten Entscheidung hat die Europäische Zentralbank heute eine Senkung der wichtigsten Zinssätze um 0,25 Prozentpunkte angekündigt und dies mit der niedrigeren Inflation begründet. Aber der inländische Preisdruck bleibt stark, da das Lohnwachstum hoch ist, und die Inflation wird wahrscheinlich bis weit ins nächste Jahr hinein über dem Zielwert bleiben, hieß es in der einleitenden Erklärung.

  • Hauptrefinanzierungssatz: 4,25%, von 4,50% gesenkt

  • Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität: 4,50%, vorher 4,75%

  • Zinssatz für die Einlagefazilität: 3,75%, von 4,00% gesenkt

Die Präsidentin der EZB, Christine Lagarde, gab keine Prognose für einen künftigen Zinssenkungspfad ab und wiederholte damit frühere Aussagen, wonach der EZB-Rat einen datenabhängigen Ansatz verfolgen wird, der von Sitzung zu Sitzung festgelegt wird.

Auf der Grundlage einer aktualisierten Bewertung der Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission ist es nun angebracht, den Grad der geldpolitischen Restriktion zu mäßigen, nachdem die Zinssätze neun Monate lang konstant gehalten wurden, hieß es in der einleitenden Erklärung.

Sie verriet auch, dass die Entscheidung nicht einheitlich gefällt wurde. Ein Ratsmitglied sei mit dem Schritt nicht einverstanden gewesen. 

Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im September liegt nun bei 54%, während die Chance einer Zinssenkung im Dezember bei 55% liegt. Dies deutet darauf hin, dass der Markt nur in geringem Maße davon überzeugt ist, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr senken wird. Der Markt erwartet nun, dass die Zinssätze im Währungsblock das Jahr bei 3,29% beenden werden.

Der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität werden jeweils um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 %, 4,50 % bzw. 3,75 % gesenkt, mit Wirkung zum 12. Juni.

"Das letzte, was die EZB tun möchte, ist, die Zinssätze zu erhöhen, wenn die Inflationszahlen im nächsten Monat wieder anziehen. Das Heilmittel ist also, sich nicht zu übereilten Entscheidungen hinreißen zu lassen", sagte Michael Field, europäischer Marktstratege bei Morningstar. „Wir haben uns von den Höchstständen der Inflation von 10,6%, die wir vor nur 18 Monaten erlebt haben, weit entfernt, und zu diesem Zeitpunkt scheinen niedrigere Zinssätze angemessen.“

 

EZB hebt Inflationsausblick

Die jüngsten von Experten des Eurosystems erstellten Prognosen für die Gesamt- und Kerninflation wurden für 2024 und 2025 gegenüber den Projektionen vom März nach oben korrigiert. Die Experten rechnen nun mit einer Gesamtinflation von durchschnittlich 2,5% im Jahr 2024, 2,2% im Jahr 2025 und 1,9% im Jahr 2026. Für die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel rechnen die Experten mit einem Durchschnitt von 2,8% im Jahr 2024, 2,2% im Jahr 2025 und 2,0% im Jahr 2026. Das Wirtschaftswachstum wird sich voraussichtlich auf 0,9% im Jahr 2024, 1,4% im Jahr 2025 und 1,6% im Jahr 2026 beschleunigen.

 

EZB kommt Fed-Entscheidung zuvor

Der EZB-Rat hat Geschichte geschrieben, da er mit der Zinssenkung vor seinem amerikanischen Pendant handelte. Aber die Senkung folgte ähnlichen Schritten anderer großer westlicher Zentralbanken. Die Schweizer Nationalbank war die erste große Bank, die im März eine Zinssenkung ankündigte, gefolgt von der schwedischen Riskbank im Mai. Am Mittwoch gab die Bank of Canada bekannt, dass sie ihren Tagesgeldsatz nach sechs aufeinanderfolgenden Pausen auf 4,75% senken wird.

Die US-Notenbank und die Bank of England werden ihre geldpolitischen Entscheidungen am 12. bzw. 20. Juni bekannt geben. In den USA verzögern sich die Zinssenkungen aufgrund der Inflationsüberraschung im ersten Quartal, sagt Preston Caldwell, US-Ökonom bei Morningstar. "Unsere Erwartung für den Leitzins zum Jahresende 2024 steigt auf 4,75%-5,00% von zuvor 4,25%-4,50%.

 

Wie tief werden die europäischen Zinsen fallen?

Die meisten Analysten sind sich einig, dass die EZB die Zinssätze auf ihrer Sitzung am 18. Juli unverändert lassen wird. Sie sind sich jedoch einig, dass die revidierten Inflationsaussichten das zuvor erwartete Zinssenkungstempo unsicherer machen.

Die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung im September liegt nun bei 54%, während die Chance einer Zinssenkung im Dezember bei 55% liegt. Dies deutet darauf hin, dass der Markt nur noch in geringem Maße davon überzeugt ist, dass die EZB die Zinsen in diesem Jahr senken wird. Der Markt erwartet nun, dass die Zinssätze im Währungsblock das Jahr bei 3,29% beenden werden, sagt Kathleen Brooks, Research Director bei XTB.

Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity, sagt, dass eine zukünftige Zinssenkung der EZB nicht sicher ist. „Viele sind davon ausgegangen, dass die heutige Zinssenkung der Auftakt zu einem Zinssenkungszyklus ist, aber ich sehe das noch nicht“, sagte er gegenüber Morningstar. Er geht davon aus, dass die europäische Bank ihren geldpolitischen Kurs wieder stärker an dem ihres amerikanischen Pendants ausrichten wird.

ING Diba sieht das ähnlich. „Die heutige Zinssenkung ist nicht unbedingt der Beginn eines Lockerungszyklus“, sagt Carsten Brzeski, Global Head of Macro. "Heute ist das erste Mal, dass die EZB die Zinsen nach einem Straffungszyklus senkt, ohne dass sie mit einer Rezession oder Wirtschaftskrise konfrontiert ist. Wäre die sehr lautstarke Kommunikation seit Februar nicht gewesen, hätten die jüngsten Makrodaten eine weitere Pause bei der heutigen Sitzung leicht rechtfertigen können", schreibt er in seinem Blog. "Der jüngste Anstieg des Lohnwachstums und der Inflation sowie eine gewisse positive Dynamik der Wirtschaft wären starke Argumente gegen eine Zinssenkung gewesen. Lagarde sagte ausdrücklich, dass die EZB sich nicht auf einen bestimmten Zinspfad festlegt und somit keine Prognosen abgibt."

Matthew Ryan, Leiter der Marktstrategie bei Ebury, erklärt: "Dies kann man nur als eine ‚hawkish cut‘ der EZB bezeichnen. ... Zum jetzigen Zeitpunkt bleiben wir jedoch bei unserer Vorstellung von zwei weiteren Zinssenkungen in diesem Jahr - im September und Dezember. Auch wenn dies alles andere als garantiert ist und es eindeutig zu früh ist, um von EZB-Vertretern verkündet zu werden, deutet der Hinweis von Lagarde, dass die Bank Vertrauen in den weiteren Weg hat, darauf hin, dass bei den kommenden Sitzungen eine weitere Lockerung in Aussicht steht."

Candriam stimmt dem zu und rechnet ebenfalls noch mit zwei Zinssenkungen. "Lagarde will sich nicht auf weitere Zinssenkungen festlegen", sagt Nicolas Forest, CIO bei Candriam. "Die Geschwindigkeit und der Zeitpunkt werden von den Inflationsdaten abhängen. Dennoch erwarten wir zwei weitere Zinssenkungen vor Ende des Jahres, beginnend im September, da die vorübergehenden Inflationseffekte im Dienstleistungssektor verschwinden dürften."

„Das schwache Wachstum wird wahrscheinlich noch eine Weile anhalten und die Inflation, die ein nachlaufender Indikator ist, sollte ihren langsamen Weg in Richtung Ziel fortsetzen“, sagt Harry Richards, Investment Manager, Fixed Income, Jupiter Asset Management. "Die Politik ist zu diesem Zeitpunkt zu restriktiv, so dass weitere Zinssenkungen erforderlich sein werden. Wir erwarten kein einmaliges Szenario, sondern glauben, dass wir am Rande eines vollständigen Zinssenkungszyklus stehen, der mittelfristig dazu beitragen sollte, die Renditen im Bereich der festverzinslichen Wertpapiere zu stützen."

Wie wirken sich Zinssenkungen auf die Märkte aus?

Die Aktienmärkte tendieren dazu, bei erwarteten Zinssenkungen zu steigen, während die Anleihemärkte eher leiden. Andererseits bedeuten sinkende Zinssätze bei bereits hohen Zinsen auch niedrigere Anleiherenditen, was die Anleihekurse nach oben treibt. Niedrigere Zinssätze machen auch bestehende Anleihen, insbesondere solche, die bereits in einer Zeit hoher Zinssätze ausgegebe n wurden, attraktiver für Renditen.

Gleichzeitig werden die Sparzinsen auf Bankkonten wahrscheinlich sinken, zum Nachteil der Sparer. Kreditnehmer hingegen werden von den niedrigeren Zinsen profitieren, da Verbraucherschulden und Hypotheken billiger werden. In ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht erklärte die EZB, dass die Kreditzinsen für Unternehmenskredite bereits leicht gesunken sind, und zwar auf 5,2% Ende 2023, während die Hypothekenzinsen weiter auf 4,0% gestiegen sind.

 

 

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.

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