Vier unterbewertete europäische Windenergie-Aktien

Höhere Kosten und gestrichene Projekte haben die Branche gebeutelt. Hier sind ein paar Windenergie-Aktien, die allerdings einen genaueren Blick wert sind.

Johanna Englundh 17.06.2024
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wind turbines at sea

Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, zu dem auf der Welt mehr saubere Energie gebraucht wird als je zuvor, sind die Kosten für Offshore-Windprojekte in die Höhe geschnellt. Das hat die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels gefährdet und die Bewertungen von Windenergieunternehmen nach unten gedrückt.

"Wir sehen mehrere Herausforderungen für die Akteure im Windenergie-Sektor. Die Hersteller von Windturbinen haben Schwierigkeiten, ihre Rentabilität nach der beispiellosen Kosteninflation im Jahr 2021 wiederherzustellen, und die Entwickler von Windprojekten haben aufgrund höherer Ausrüstungskosten und gestiegener Zinssätze Wertminderungen in Milliardenhöhe vorgenommen", erklärt Matthew Donen, Aktienanalyst bei Morningstar.

Zusätzlich zu den Herausforderungen innerhalb des Sektors verliert die Windenergie in Bezug auf Wachstum und Akzeptanz gegenüber der Solarenergie an Boden. Laut Tancrede Fulop, Senior Equity Analyst bei Morningstar, favorieren die von Morningstar erfassten europäischen Versorgungsunternehmen Solar. So entfielen 2022 37% der Gesamtinstallationen auf Solar, 2023 rund 50% und im ersten Quartal 2024 bereits 84%.

"Dies spiegelt wider: 1) die Lockerung der Lieferkettenbeschränkungen in der US-Gesetzgebung im Jahr 2022; 2) den Rückgang der Polysiliziumpreise aufgrund der chinesischen Überkapazitäten; 3) die Strategie der Unternehmen, Solaranlagen zu bevorzugen, die sie mit Batterien kombinieren können", sagt er.

Europäische Aktien im Bereich Windenergie

 

Nach Angaben von Tancrede Fulop sind die Turbinenpreise in Q4 2023 und Q1 2024 leicht gesunken. Darüber hinaus sind die Abnahmepreise für Strom Windkraftanlagen in Europa seit ihrem Höchststand im dritten Quartal 2023 zwar leicht gesunken, bleiben aber mit 95 EUR/MWh im ersten Quartal 2024 weiterhin hoch. "Alles in allem bleiben Windprojekte trotz hoher Zinsen wertsteigernd", sagt er.

Die wichtigsten Chancen für die Zukunft ergeben sich nach Ansicht des Analysten aus der Beschleunigung der Energiewende, die durch das Ziel der COP 28-Konferenz, die Kapazität der erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen, sowie durch die hohe Stromnachfrage von Rechenzentren unterstützt wird.

Das dänische Unternehmen Ørsted stürzte Ende September letzten Jahres ab, nachdem es die Entwicklung der Projekte Ocean Wind 1 und 2 in den USA mit einer Gesamtkapazität von 2,25 GW aufgegeben hatte, was zu Wertminderungen und Gebühren von mehr als 36 Mrd. DKK führte.

"Um die Bilanz nach diesen Rückschlägen zu stützen, da es künftige Projekte wie das riesige Hornsea 3-Projekt finanzieren muss, hat Ørsted seine Dividende für 2023-25 ausgesetzt und seine Wachstumsambitionen gekürzt", erklärt Tancrede Fulop.

Könnte Trump der Windenergie in den USA ein Ende setzen?

Windkraftprojekte sind anfällig für Genehmigungsprobleme, daher ist ein günstiges politisches Umfeld für ihren Erfolg entscheidend. Die bevorstehende Wahl in den USA, wo Ørsted der führende Offshore-Windentwickler ist, kann daher große Auswirkungen auf den Sektor haben. Der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat an seinem ersten Tag im Amt versprochen, die Entwicklung der Offshore-Windenergie durch eine Durchführungsverordnung zu unterbinden, und im April sagte er zu Öl-Experten, er "hasse Wind".

"Wir denken, dass es für Trump schwierig sein wird, die günstige Steuerpolitik für erneuerbare Energien aus dem Inflation Reduction Act 2022 zurückzunehmen. Eine Trump-Administration könnte die Umsetzung des Gesetzes verlangsamen, aber das wird das Wachstum der erneuerbaren Energien kurzfristig wohl kaum bremsen", sagt Matthew Donen.

Dem Aktienanalysten zufolge könnte der US-Kongress auch zögern, die Gutschriften für erneuerbare Energien zurückzunehmen, da sie Arbeitsplätze und private Investitionen geschaffen haben. Mehr als die Hälfte der Investitionen im Zusammenhang mit dem Gesetz kamen laut einer Analyse der Financial Times republikanischen Bundesstaaten zugute.

Unterbewertete Aktien aus dem Windsektor 

Unter den europäischen Aktien aus dem Windenergiesektor, die von den Morningstar-Analysten beobachtet werden, sind dies die vier derzeit am stärksten unterbewerteten: 

 

RWE RWE

Analyst: Tancrede Fulop, CFA

Mit der Übernahme des großen Geschäftsbereichs für saubere Energien von Consolidated Edison im März 2023 wurde RWE zum viertgrößten Unternehmen für erneuerbare Energien in den USA - laut Tancrede Fulop ein attraktiver Markt, insbesondere seit der Verabschiedung des Inflation Reduction Act.

"Alles in allem werden mittelfristig fast 80% des EBITDA von RWE aus Wind- und Solarenergie stammen. Das bedeutet ein risikoärmeres Profil mit mehr Transparenz bei den Erträgen und dem freien Cashflow."

Mit einem Aktienkurs von 33,69 EUR hält Tancrede Fulop die Aktie im Vergleich zu seiner Fair Value-Schätzung von 48,00 EUR für unterbewertet.

"Die Aktien wurden zu Beginn des Jahres aufgrund der sinkenden Strompreise und Erzeugungsspreads verkauft, was zu einer Abwärtskorrektur der Prognose im Januar geführt hat. Die Strompreise haben sich von den Tiefstständen im Februar um 34% erholt und sind im bisherigen Jahresverlauf unverändert geblieben. Dennoch sind die RWE-Aktien seit Jahresbeginn immer noch um 15% gefallen. Wir glauben, dass die anhaltend gute Ertragslage, eine wahrscheinliche Anhebung der Prognose für 2024 und eine Zinssenkung durch die Europäische Zentralbank zu einer Höherbewertung der Aktie führen sollten", schrieb der Analyst in einem Kommentar vom 15. Mai.

 

Ørsted ORSTED

Analyst: Tancrede Fulop, CFA

Ørsted war ein Vorreiter im Bereich der Offshore-Windkraft und profitierte vom Rückgang der Baukosten und der Zinssätze im letzten Jahrzehnt, während es gleichzeitig hohe Subventionen erhielt. Ørsted ist der führende Offshore-Windentwickler in den USA, aber seit Ende 2021 hat die Offshore-Windindustrie mit zwei wesentlichen Gegenwinden zu kämpfen: steigenden Baukosten und Zinsen.

Nach Ansicht des Morningstar-Analysten ist Ørsted unterbewertet und wird mit einem Abschlag von 26 % gegenüber seiner Fair Value-Schätzung von 540 DKK gehandelt.

"Ich sehe ein begrenztes Abwärtsrisiko für Ørsted nach den massiven Rückschlägen im Jahr 2023. Die jüngsten Deals mit Finanzakteuren aus der britischen und US-amerikanischen Offshore-Windbranche zeigen, dass sie trotz der Schwierigkeiten, mit denen die Branche seit 2022 konfrontiert ist, großes Interesse haben."

Die jüngsten Auktionen in New York und die Anhebung des Höchstpreises für die britischen Offshore-Windauktionen 2024 zeigen, dass die politische Unterstützung zunimmt. Ørsted würde auch von sinkenden Zinsen profitieren, sagt Tancrede Fulop.

SSE SSE

Analyst: Tancrede Fulop, CFA

Die britische Energieholding SSE wird mit einem Abschlag von 19 % auf ihre Fair Value-Schätzung von 22 GBP gehandelt. Die Großhandelseinheit betreibt rund 10,8 Gigawatt, davon 4 GW Wasser- und Windkraftkapazität.

"Wir gehen davon aus, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit der Inbetriebnahme von 5 GW neuer Onshore- und Offshore-Windkapazitäten im Vereinigten Königreich bis zum Geschäftsjahr 2028 der Hauptwachstumstreiber sein wird. In der Zwischenzeit wird der Beitrag der erneuerbaren Energien zum EBIT der Gruppe von 23% auf 46% auf bereinigter Basis steigen", so der Morningstar-Analyst.

Enel ENEL

Analyst: Tancrede Fulop, CFA

Enel ist ein integrierter Energieversorger, der hauptsächlich in Italien, Spanien und Lateinamerika tätig ist. Das Netzgeschäft macht 35% der Einnahmen der Gruppe aus. Der Rest stammt aus der Stromerzeugung und -versorgung. Der Stromerzeugungsmix wird von erneuerbaren Energien dominiert: 35% der installierten Kapazität entfallen auf Wasserkraft, 32% auf Solar- und Windenergie.

"Die Energiekrise 2021-23 hat die Erschwinglichkeit von Energie in den Vordergrund der politischen Agenda der europäischen Länder gerückt und das politische Risiko erhöht. Spanien hat eine Strompreisobergrenze von über 67 EUR/MWh für Wasser- und Kernkraftwerke sowie eine Abgabe auf den Umsatz der Energieunternehmen eingeführt. Italien führte eine Obergrenze von über 60 EUR/MWh für die Stromerzeugung aus Wasserkraft ein und setzte die Erhebung der Netzentgelte für die Endverbraucher aus, was das Betriebskapital und die Nettoverschuldung von Enel im Jahr 2022 erheblich erhöhte", erklärt Tancrede Fulop und fügt hinzu:

Um seine Bilanz zu stärken und die Dividende aufrechtzuerhalten, hat Enel im November 2022 einen Plan zum Verkauf von Vermögenswerten im Wert von 15,2 Mrd. EUR bekannt gegeben, der dazu führen soll, dass sich die Gruppe aus Rumänien, Peru und Argentinien zurückzieht und sich auf Italien, Spanien, Brasilien, Chile und Kolumbien konzentriert. 

 

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Im Artikel erwähnte Wertpapiere

BezeichnungKursVeränderung (%)Morningstar Rating
E.ON SE11,09 EUR-0,31
Enel SpA6,81 EUR0,07Rating
Equinor ASA254,45 NOK-0,25Rating
Iberdrola SA13,05 EUR0,00Rating
Orsted A/S332,60 DKK0,15Rating
RWE AG Class A28,29 EUR-0,25
Schneider Electric SE239,75 EUR11,28
Siemens AG188,98 EUR-0,35
SSE PLC1.606,00 GBX0,50Rating
TotalEnergies SE51,89 EUR-0,08Rating
Vestas Wind Systems A/S94,38 DKK-2,48Rating

Über den Autor

Johanna Englundh  Johanna Englundh ist Redakteurin für Morningstar in Schweden