Wahljahr zwingt Fondsmanager zu einem Richtungswechsel

Angesichts der überraschenden Wahlen in Frankreich, dem Erdrutsch-Sieg der Labour-Partei im Vereinigten Königreich und der noch ausstehenden US-Präsidentschaftswahlen stehen professionelle Anleger vor schwierigen Entscheidungen.

Christopher Johnson 17.07.2024
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Trump 2024 UK Main

2024 ist ein Jahr der Wahlen. In 50 Ländern werden bis zum Ende des Jahres rund 1,5 Milliarden Menschen zu den Urnen gehen, und das inmitten einer Vielzahl politischer Instabilitäten und Konflikte. In Europa sind die Rechtsextremen zurück und in den USA liegt der ehemalige Präsident Donald Trump in den Umfragen vorn. 

Während die Wähler an der Wahlurne ein einziges Mal entscheiden, müssen Fondsmanager das ganze Jahr über schwierige Allokations-Entscheidungen treffen. Wir sprachen mit einigen von ihnen darüber, wie sie in Zeiten politischer Unsicherheit investieren. 

Politisches Patt in Frankreich

Das Wagnis von Präsident Emmanuel Macron, Neuwahlen anzusetzen, stürzte Frankreich in ein politisches Fegefeuer. Im ersten Wahlgang am 30. Juni erhielt die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen 33% der Stimmen.

In der Stichwahl am Sonntag vorletzter Woche wurde Le Pens Partei Dritte, nachdem Macrons Zentristen sich erfolgreich mit den linken Parteien der Neuen Volksfront abgestimmt hatten, um Le Pens Aufstieg zur Macht zu verhindern.

Das Ergebnis lässt Frankreich in der Schwebe, weil keine Partei eine absolute Mehrheit in der 557 Sitze umfassenden Nationalversammlung erringen konnte. Und die Ernennung eines neuen Premierministers steht noch aus, erklärt Redakteur Jocelyn Jovene von Morningstar Frankreich.

Michael Field, Marktstratege Europa bei Morningstar, sagt, dass eine linke Mehrheit normalerweise nicht vorteilhaft für die Märkte ist. Und doch ist es dieses Mal anders.

"Das Manifest der Neuen Volksfront will den Mindestlohn deutlich anheben und die Preise für Energie und Grundnahrungsmittel einfrieren", schreibt er in einer Mitteilung.

"Das Manifest schlägt vor, diese Maßnahmen durch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Einkommenssteuer für Besserverdienende zu finanzieren. Angesichts der inhärenten Ängste der Anleger vor einer rechtsgerichteten Regierung wird diese Ankündigung sehr wahrscheinlich willkommen sein."

Französische Aktien unter Druck

Während man sich über die Auswirkungen einer solchen Politik auf den Versorgungssektor Sorgen macht, ist man weitaus skeptischer, ob ein Linksbündnis überhaupt in der Lage wäre, sein Programm umzusetzen. Field stellt außerdem fest, dass einige französische Aktien nach den Schocks vom Juni und Juli jetzt unterbewertet sind: Dazu gehören der Gucci-Eigentümer Kering (PPX), BNP Paribas (BNP), Société Générale (SGE), AXA (AXA), Engie (GZF), Veolia (VVD), Edenred (QSV) und Vinci (SQU).

Thomas Becket, Co-Chief Investment Officer bei Canaccord Genuity Wealth Management, hält sich gänzlich von europäischen Aktien fern. "Der europäische Wachstumspfad und der politische Hintergrund zusammengenommen stagnieren einfach", sagt er.

Stattdessen sollten Anleger, die Chancen in europäischen Aktien suchen, nach Wachstumsunternehmen Ausschau halten, die globalen Wachstumstrends ausgesetzt sind, wie z. B. der Luxusgütersektor, und nicht nach Titeln, die von den europäischen Binnenwirtschaften abhängen. 

Europäische Anleihen attraktiver

Dennoch schließt er eine Erhöhung des Engagements in europäischen Anleihen nicht aus.

"Die Renditen in Europa sind niedriger als in anderen Teilen der Welt, aber wenn man als GBP-Anleger die Währung in Pfund Sterling absichert, weil die europäischen Zinssätze niedriger sind als die britischen, erhält man einen Renditeanstieg", sagt er.

"Außerdem denke ich, dass einige europäische Unternehmensanleihen weiterhin recht attraktiv sind."

Die französischen Anleihemärkte gaben nach dem überraschenden Wahlergebnis nach, bei dem die Linke trotz fehlender absoluter Mehrheit einen Wahlsieg errang. Der französische Aktienmarkt fiel nach der Ausrufung der vorgezogenen Neuwahlen, konnte sich aber leicht erholen, nachdem eine rechtsextreme Mehrheit ausgeschlossen worden war.

Die steigende Popularität rechtsextremer Parteien ist nicht nur ein französisches Phänomen. Im vergangenen Monat fanden in der Europäischen Union Wahlen statt, bei denen rechtsextreme Parteien ihre besten Ergebnisse seit Jahren erzielten und die Zugewinne in Deutschland und Italien für Schlagzeilen sorgten.

Die wachsende Popularität rechtsextremer Bewegungen in Europa zeigt in der Tat eine breite Verlagerung hin zu einer protektionistischeren und populistischeren Weltsicht, von der einige befürchten, dass sie die Europäische Union stärker treffen könnte als andere globale Akteure.

Fernando Romero, Portfoliomanager bei Abaco Capital in Madrid, jedoch ist skeptisch, was die langfristigen Auswirkungen auf die Wirtschaft der Eurozone angeht.

"Europawahlen verursachen kurzfristig ein wenig Lärm auf den Märkten, genau wie in Frankreich", sagt er.

"Die Institutionen der Europäischen Union und die Tatsache, dass wir alle den Euro als unsere Währung haben, begrenzen aber die Veränderungen, die die neu gewählten Kandidaten vornehmen können." 

Erdrutschsieg von Labour und Wohnungsbauaktien

Im Vereinigten Königreich gewann die Labour-Partei unter Keir Starmer eine klare Mehrheit.

Obwohl Romero skeptisch ist, dass Starmers Labour-Regierung radikale Veränderungen für Großbritannien bewirken kann, kauft Abaco Capital britische Aktien aus dem Wohnungs- und Bausektor in der Annahme, dass diese Aktien unter Labour einen Aufschwung erleben werden. Die Aktien dieser Unternehmen sind in diesem Jahr bereits in Erwartung eines Labour-Sieges gestiegen.

Die neue Schatzkanzlerin Rachel Reeves hat ihre erste Woche im Finanzministerium genutzt, um eine umfassende Reform des britischen Planungssystems anzukündigen, bei der verpflichtende Wohnungsbauziele und Bauprojekte auf der grünen Wiese wieder auf den Tisch kommen. Könnte das eine Rallye bei britischen Wohnungsaktien auslösen?

Field von Morningstar sagte in einem Video, dass das Ziel der Labour-Partei für den Wohnungsbau sehr ehrgeizig sei, aber eng mit den Versprechen verbunden ist, die sie den Wählern und Erstkäufern im Wahlkampf gegeben hat.

"Das ist ein Niveau, das wir in Großbritannien beim Wohnungsbau seit den 1970er Jahren nicht mehr gesehen haben. Und wer wird vor allem davon profitieren? Natürlich die britischen Hausbauer, die großen, börsennotierten Unternehmen wie Persimmon, das unsere erste Wahl in diesem Sektor ist.

Michael Browne, Chief Investment Officer von Martin Currie, begrüßt insbesondere die Reform des Wohnungsbaus und hat, wie Romero, infolgedessen erhebliche Summen in britische Wohnungsbauaktien investiert.

"Für mich ist das wie eine Münze mit Kopf auf beiden Seiten", sagt er.

"Wir haben ein ordentliches Wachstum erlebt, und in Europa ist das Vereinigte Königreich das einzige Land mit positiven Einkaufsmanagerindizes für das Baugewerbe, das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor."

"Wir wollen mehr bauen, die Zinsen sinken, die Erschwinglichkeit steigt, denn insgesamt werden die meisten Menschen bis Ende dieses Jahres die Reallohnverluste, die sie im Jahr 2023 erlitten haben, wieder wettmachen. Man sollte also die Wohnungsbauunternehmen und die damit [nachgelagert] verbundene Kette besitzen".

Dennoch glaubt Browne, dass die Planungsreform weiterhin auf Hindernisse stoßen könnte - wegen der langen Zeitspanne, die es braucht, um Projekte auf den Weg zu bringen. Die nachstehende Grafik zeigt, dass die Anleger skeptisch sind, ob die Wohnungsbauunternehmen die Ziele erreichen können. Er behält auch die erneuerbaren Energien im Auge, nachdem Ed Miliband, der neue Energieminister, das Verbot von Onshore-Windparks in Großbritannien aufgehoben hat.

Für Hiroki Hashimoto, Fondsmanager des globalen Multi-Asset-Portfolios von Royal London, hat der Wahlsieg von Labour nicht zu einer Änderung der Asset Allokation innerhalb seiner Fonds geführt. Für die Zukunft schließt er eine solche jedoch nicht aus. 

"Es gibt zwei Dinge, die wir im Auge behalten: die Auswirkungen des Anleger-Sentiments und wie es in den Markt eingepreist wird, sowie die wichtigsten Auswirkungen von Inflation und Wachstum auf den britischen Konjunkturzyklus." 

Er ist auch vorsichtig, was das Sterling-Exposure der von ihm verwalteten Multi-Asset-Fonds angeht. 

"Wenn Sie einen defensiven Fonds haben, müssen Sie für britische Anleger ein größeres Sterling-Exposure haben als in globalen oder ausländischen Währungen", sagt er. 

"Wenn das Sentiment im Vereinigten Königreich aufgrund der Stabilität positiver wird, wirkt sich das positiv auf das Pfund Sterling aus, aber für einige Anleger ist das in gewisser Weise auch negativ, weil es den Wert ausländischer Anlagen drückt." 

"In unserem Fall streben wir eine Art Währungsabsicherung an mit höher rentierlichen festverzinslichen Anlagen und mit Gewerbeimmobilien. Damit wollen wir die Tatsache ausgleichen, dass globale Aktien hinterfragt werden könnten, wenn wir ein positiveres Ergebnis für Großbritannien erzielen." 

Amerika wählt: Biden gegen Trump?

Das große Wahlereignis findet jedoch in den USA statt. Weil der ehemalige Präsident Donald Trump in den Umfragen vor Amtsinhaber Joe Biden liegt, bereiten sich die Anleger auf eine zweite Amtszeit von Trump vor, nachdem Biden in der Fernsehdebatte katastrophal zusammenhanglos auftrat, und das Attentat auf Trump ihm Aufwind verleiht. 

"Meine erste Einschätzung ist, dass Trump die Wahl gewinnt", sagt Becket.

"Meine zweite Ansicht ist, dass seine Regierung viel pragmatischer sein wird, als die Leute vielleicht denken. Beim letzten Mal gab es teilweise Chaos und Unsicherheit. Aber sowohl [Trump als auch Biden] haben eine äußerst fragwürdige Politik betrieben. Beide Politikansätze deuten auf den Ruin der US-Regierungsbilanz und ein langfristiges Chaos hin, weil sie eine riesige Menge an Schulden für eine nicht sehr hohe Rendite gemacht haben."

Daher ist Becket der Ansicht, dass das Umfeld für US-Schatzpapiere unter Trump volatiler werden könnte - während der US-Schatzpapiermarkt unter Biden ruhiger sein könnte, weil er den Status quo widerspiegelt. Allerdings könnte sich eine Wiederwahl Bidens weniger positiv als eine zweite Trump-Präsidentschaft auf US-Aktien auswirken, die in diesem Jahr Rekordhöhen erreicht haben.

"Wenn die Republikaner sowohl den Senat als auch das Repräsentantenhaus kontrollieren und Trump an der Macht ist, dann haben wir eine Situation mit potenziell viel größeren Risiken, als wenn es mehr Kontrollen und Einschränkungen für die Macht des Präsidenten gibt", sagt er.

"Unsere Ansichten zur Asset Allokation werden durch ein solides, aber unspektakuläres Wirtschaftswachstum, die Vermeidung einer globalen Rezession und eine weiter sinkende Inflation bestimmt."

"Gleichzeitig wissen wir, dass Politik und Geopolitik uns immer wieder mit kurzfristigen Überraschungen konfrontieren werden - so wie sie es in diesem turbulenten Jahrzehnt bereits getan haben."

Dieser Artikel erschien zuerst auf morningstar.co.uk am 11. Juli 2024.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Im Artikel erwähnte Wertpapiere

BezeichnungKursVeränderung (%)Morningstar Rating
AXA SA33,76 EUR0,36
BNP Paribas Act. Cat.A56,22 BGN0,00
Edenred SE36,35 USD-9,69
Engie SA14,82 EUR0,30
Kering SA237,85 EUR-0,54Rating
Societe Generale SA27,00 EUR0,69
Veolia Environnement SA27,17 EUR-0,40Rating

Über den Autor

Christopher Johnson  ist Datenjournalist bei Morningstar.