Die Europäische Zentralbank hat auf ihrer Sitzung am 18. Juli wie allgemein erwartet beschlossen, die Leitzinsen unverändert zu belassen und keine Einzelheiten zu ihrem Zinspfad bekannt gegeben.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde, betonte, dass „unsere Entscheidung im September noch völlig offen ist”, doch die Märkte gehen mit einer Wahrscheinlichkeit von 80% davon aus, dass die Bank die Zinssätze bei ihrer nächsten Sitzung am 12. September um weitere 0,25 Prozentpunkte senken wird.
„Der EZB-Rat hat heute beschlossen, die drei Leitzinsen der EZB unverändert zu lassen”, heißt es in der Pressemitteilung. Lagarde fügte später hinzu, dass der Rat einstimmig entschieden habe.
"Die neu verfügbaren Daten stützen weitgehend seine bisherige Einschätzung der mittelfristigen Inflationsaussichten. Zwar sind einige Messgrößen der zugrunde liegenden Inflation im Mai aufgrund von einmaligen Faktoren leicht angestiegen, im Juni blieben die meisten Messgrößen aber unverändert oder gingen leicht zurück", so die Pressemitteilung.
Die Entscheidung wurde allgemein erwartet, sodass die Reaktion der Aktien-, Anleihen- und Devisenmärkte verhalten ausfiel.
„Nach der Senkung der Zinssätze um 0,25 Prozentpunkte im Juni erwarteten die Ökonomen in diesem Monat keine weiteren Änderungen der Leitzinsen”, sagte der Morningstar-Stratege Michael Field. „Letztendlich schreien die aktuellen makroökonomischen Daten zwar nicht nach weiteren Zinssenkungen, aber sie haben sich in den letzten Monaten nicht wesentlich geändert, und schon gar nicht seit der Zinssenkung im Juni. Dies sollte ausreichen, um die Zentralbanker davon zu überzeugen, dass die Wirtschaft der Eurozone in der Lage war, die Zinssenkung um 25 Basispunkte zu verkraften, und daher auch in der Lage sein sollte, weitere Zinssenkungen zu verkraften, wenn auch in einem moderaten Tempo“, fügte er hinzu.
Analysten gehen davon aus, dass in diesem Jahr noch zwei weitere Zinssenkungen um jeweils 0,25 Prozentpunkte im September und Dezember anstehen.
Die Aussagen zur Inflation bleiben ausgewogen, schrieb Ulrike Kastens, Europa-Ökonomin bei DWS, in einer E-Mail-Nachricht nach der Bekanntgabe der Zinssätze. „Unserer Meinung nach wartet sie auf mehr Daten, vor allem auf eine Verlangsamung des Lohnanstiegs. Dies könnte ihr den Raum geben, den Restriktionsgrad der Geldpolitik weiter zu verringern. Wir rechnen unverändert mit der nächsten Zinssenkung im September”, sagte sie.
Auch Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity, rechnet mit einer Zinssenkung im September. Was danach passiert, sei jedoch weniger klar, sagte er nach der Zinsentscheidung telefonisch gegenüber Morningstar. Unter anderem bestehe ein Abwärtsrisiko für das Wirtschaftswachstum sowie Inflationsdruck durch Handelskonflikte, da der Präsidentschaftskandidat Donald Trump im Falle seiner Wiederwahl weitere Zölle ankündigte. Wenngleich die Mehrheit der Zölle auf chinesische Waren abzielen würde, würde dies auch auf die Wirtschaft der Eurozone durchschlagen, sagte er.
Seiner Einschätzung nach ist das Umfeld, in dem sich die EZB bewegt, unsicher. Dass die EZB immer wieder auf die Datenabhängigkeit verweise und darauf, Entscheidungen von Sitzung zu Sitzung zu fällen und keine Guidance gebe, sei ein Zeichen für die Unsicherheit in Bezug auf Politik, Wachstum und Inflation. Bis zur nächsten Sitzung werden noch zahlreiche makroökonomische Daten veröffentlicht, fügte er hinzu.
„Eine schwächere Weltwirtschaft oder eine Eskalation der Handelskonflikte zwischen den wichtigsten Volkswirtschaften würde das Wachstum im Euroraum belasten”, sagte Lagarde auf der Pressekonferenz.
Die Sitzung im September findet kurz vor dem Zeitpunkt statt, an dem die Märkte erwarten, dass die US-Notenbank mit der Senkung der Zinssätze beginnt.
In ihrer vorherigen Sitzung am 6. Juni hatte die Bank die folgenden Änderungen der Zinssätze vorgenommen:
- Hauptrefinanzierungssatz: 4,25%, von 4,50% gesenkt
- Zinssatz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität: 4,50%, statt 4,75%
- Zinssatz für die Einlagefazilität: 3,75%, vorher 4,00%
Für diese Sitzung waren keine neuen Prognosen zu Inflation oder Wachstum geplant. In ihrem jüngsten Inflationsausblick vom 6. Juni hatte die Bank ihre Prognosen für 2024 und 2025 angehoben. Die Ökonomen gehen von einer durchschnittlichen Inflation von 2,5% im Jahr 2024, 2,2% im Jahr 2025 und 1,9% im Jahr 2026 aus. Der EZB-Rat wird auf seiner nächsten Sitzung am 12. September neue Prognosen vorlegen.
Im Juni stiegen die Verbraucherpreise in der Eurozone im Jahresvergleich um 2,5 % und lagen damit unter dem Wert von 2,6 % im Mai, aber über den Erwartungen der Ökonomen, die von einem Anstieg um 2,4 % ausgegangen waren. Die Kerninflation, die die Preise ohne Energie- und Lebensmittelkosten angibt, lag mit 2,9 % auf dem gleichen Niveau wie im Mai.
„Die EZB hat deutlich signalisiert, dass sie Zinsentscheidungen lieber bei den Prognosetreffen im September und Dezember und nicht im Juli, Oktober oder Januar treffen möchte”, sagte Konstantin Veit, Executive Vice President und Portfolio Manager bei Pimco, am 11. Juli gegenüber Morningstar .
„Die Inflation ist noch nicht dort, wo die EZB sie gerne hätte, aber ich glaube, die EZB ist der Meinung, dass ein Einlagenzinssatz von über 3 % immer noch eindeutig restriktiv ist”, fügt er hinzu. Selbst wenn die Bank die Zinssätze in diesem Jahr zweimal senken würde, würde sie die Zinssätze im aktuellen Inflationsumfeld immer noch als ausreichend restriktiv betrachten.
Wie wirken sich Zinssenkungen auf mich aus?
Die Aktienmärkte tendieren dazu, bei erwarteten Zinssenkungen zu steigen. Auf den Anleihemärkten bedeuten sinkende Zinssätze niedrigere Renditen, was die Anleihekurse in die Höhe treibt. Niedrigere Zinssätze machen auch bestehende Anleihen, insbesondere solche, die bereits in Zeiten hoher Zinssätze ausgegeben wurden, für die Rendite attraktiver.
Gleichzeitig werden die Zinssätze für Sparguthaben auf Bankkonten wahrscheinlich sinken, was sich nachteilig auf die Sparer auswirkt. Die Konditionen der Sparer hängen vor allem an der Einlagefazilität - denn damit werden die Einlagen von Banken bei der Notenbank verzinst.
Kreditnehmer hingegen profitieren von den niedrigeren Zinssätzen, da die Verbraucher- und Hypothekarkredite günstiger werden. In ihrem jüngsten Wirtschaftsbericht erklärte die EZB, dass die Finanzierungskosten auf einem restriktiven Niveau stagnieren. Die durchschnittlichen Zinssätze für neue Unternehmenskredite und neue Hypotheken blieben im April gegenüber dem Vormonat unverändert bei 5,2 % bzw. 3,8 %.
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