Der Marktausverkauf letzten Mittwoch war der schlimmste seit dem 5. August, und das war nicht die einzige Gemeinsamkeit. Nvidia (NVD) und andere Chiphersteller führten den Abwärtstrend an, die europäischen KI-Lieblinge Arm Holdings (O9T) und ASML (ASME) folgten auf dem Fuß - und fielen beide letzte Woche um 10%.
Als am 5. August der Ausverkauf stattfand, wiesen wir schnell darauf hin, dass die Märkte im Grunde leicht unterbewertet waren und sich die wirtschaftlichen Bedingungen tatsächlich verbesserten. Anleger sollten die Gelegenheit nutzen, um ihr Engagement in Aktien zu einem niedrigeren Preis aufzustocken.
Zu unserem Glück ging diese Erholung schnell vonstatten, denn die Märkte machten die Verluste innerhalb weniger Wochen nach dem Ausverkauf weitgehend wieder wett. Die große Frage ist: Hat sich seither etwas geändert, und sollten Anleger jetzt dieselbe Strategie verfolgen?
Europäische Aktien bleiben günstig
Die europäischen Aktienmärkte werden derzeit mit einem Abschlag von fast 6% auf ihren geschätzten fairen Wert gehandelt. Waren die Aktienmärkte in der Vergangenheit schon einmal billiger? Ja, aber sie sind heute weit davon entfernt, teuer zu sein.
Auf Sektorenebene ist das Bild gemischt. Gesundheitswesen und Industrie sind sehr leicht überbewertet, während andere Sektoren mit einem Abschlag von 5% auf ihren fairen Wert weitgehend der Marktbewertung entsprechen. Die größten Bewertungslücken zeigen sich in Bereichen wie zyklische Konsumgüter und Immobilien, wo sektorspezifische Bedenken die Bewertungen bremsen.
Die Argumente für Zinssenkungen sind noch stärker geworden
Das makroökonomische Bild veränderte sich seit der Marktschlappe im August ebenfalls, nachdem neuere Daten zum BIP-Wachstum und zur Inflation verfügbar waren - zwei Schlüsselkomponenten für die Entscheidung der Zentralbanken über künftige Zinssenkungen und damit der Hauptantrieb für die Aktienmärkte in diesem Jahr.
Im zweiten Quartal 2024 stieg das BIP im Vereinigten Königreich um 0,6%, in der Eurozone um 0,3% - kein überragendes Wachstum, aber solide. Vor allem, wenn man bedenkt, woher wir kommen. Das Vereinigte Königreich geriet 2023 in eine technische Rezession mit zwei aufeinanderfolgenden Quartalen negativen Wachstums, die Eurozone entging diesem Schicksal nur knapp. Nun deuten die Prognosen der Ökonomen auf ein Wachstum für das gesamte Jahr 2024 von rund 1% für beide Regionen hin. Dies ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung.
Die zweite Marktkomponente, für die der August mehr Klarheit brachte, war die Inflation. Nach einem kleinen Ausreißer nach oben im Juli, fielen die Inflationsraten in ganz Europa im August wieder. In der Eurozone und im Vereinigten Königreich wurde im Jahresvergleich ein Anstieg von 2,2% gemessen, was schon recht nahe an der Zielgröße von 2% lag. Bis hierher war es ein weiter Weg, der mit zweistelligen Inflationszahlen begann und zu einem großen Teil durch die restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und der Bank of England möglich wurde.
Was bedeutet das alles? Die im letzten Monat veröffentlichten Daten unterstützen künftige, kurzfristige Zinssenkungen. 85% der von Reuters befragten Ökonomen hatten erwarteten, dass die EZB die Zinsen in dieser Woche erneut senken würde. Für die BoE ist es im September vermutlich noch zu früh für eine Zinssenkung, aber Ökonomen sagen zwei Zinsschritte im November und Dezember voraus. Wiederholte Zinssenkungen unterstützen das Wirtschaftswachstum spürbar und könnten nächstes Jahr zu weiter steigendem Wachstum in ganz Europa führen.
Welche europäischen Aktien sind durch fallende Tech-Werte gefährdet?
Wo also liegen die Risiken in Europa? Könnte der jüngste Kursrutsch von US-Tech-Aktien den Markt anstecken? Die Antwort ist: Nein.
In einer Analyse überbewerteter Aktien aus dem Universum, das wir in Europa abdecken, fanden wir weniger als 40 Unternehmen. Unter den 20 am stärksten übergewichteten Unternehmen war nur ein einziger Tech-Wert: SAP (SAP) aus Deutschland. Der Rest der Liste besteht aus ganz unterschiedlichen Unternehmen – viele Werte aus der Industrie und dem verarbeitenden Gewerbe, wie etwa Siemens (SIE) und Rational (RAA), oder Luxusmarken wie Ferrari (2FE) und Hermes (HMI). Aus diesem Grund sind europäische Tech-Aktien keine Schwachstelle, die zu einem breiteren Marktrutsch führen könnten.
Die Liste der Reichen
Tech-Aktien sind unter den am stärksten überbewerteten Unternehmen Europas unterrepräsentiert
Unserer Ansicht nach sind große Tech-Firmen (von denen der Kursrutsch ausging) nicht überbewertet. Wir glauben, ASML ist rund 25% unterbewertet, ARM Holdings wird in etwa zu seinem fairen Wert gehandelt. Die europäische Wirtschaft ist schwach, bewegt sich aber in die richtige Richtung - und weitere Zinssenkungen scheinen unmittelbar bevorzustehen. Investment-Pionier Ben Graham sagte einst: „Kurzfristig sind Märkte eine Wahlmaschine, langfristig sind sie eine Waage.“ Märkte können Sentiment-getrieben sein und kurzfristige Phasen von Volatilität können andauern, aber für Langfrist-Anleger ist jetzt keine schlechte Zeit für einen Einstieg.
Michael Field ist europäischer Marktstratege bei Morningstar
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