Was die US-Wahl für Big-Tech-Aktien bedeuten könnte

Neue Vorschriften könnten dazu führen, dass die „Glorreichen Sieben“, also Unternehmen wie Microsoft und Alphabet ihre Fusionen und Übernahmen zurückfahren.

Malik Ahmed Khan 08.10.2024
Facebook Twitter LinkedIn

Photo collage illustration: Capitol building peak with American flag elements and arrows depicting election and market uncertainty.

Die US-Präsidentschaftswahlen werden große Auswirkungen auf die regulatorische Vorgaben haben, mit denen Big Tech in den nächsten Jahren konfrontiert sein wird.

Anfangs feierten die Gesetzgeber Tech-Giganten wie Microsoft MSFT, Amazon.com AMZN, und Meta META für ihre Disruptionen, für die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Förderung des Wirtschaftswachstums - doch seit sie größer wurden, änderte sich in Washington die Haltung ihnen gegenüber. Die Gesetzgeber wurden kritischer, weil diese Unternehmen beträchtlichen Einfluss auf Teile der Weltwirtschaft erlangt haben.

Aus diesem Grund haben großen Technologieunternehmen in den letzten Jahren starken regulatorischen Gegenwind. Gleichzeitig hängt das Ausmaß der behördlichen Prüfung davon ab, wie aggressiv die US-Regierung bestehende Gerichtsverfahren verfolgt und wie viel Aufsicht sie über geplante Übernahmen ausübt.

Seit der Wahl von Präsident Joe Biden im Jahr 2020 und seiner anschließenden Ernennung von Lina Khan zur Leiterin der Federal Trade Commission (FTC) veränderte sich die Art und Weise, wie die US-Regierung mit großen Technologieunternehmen umgeht. Die von Lina Khan geleitete FTC hat die Fusions- und Übernahmepolitik der großen Technologieunternehmen stark beeinflusst.

Transaktionen - von großen Unternehmen wie Microsoft und Activision bis hin zu kleinen Übernahmen wie Amazon und iRobot - wurden genauestens geprüft. Wir erwarten, dass sich dieser Ansatz fortsetzt, wenn eine demokratische Regierung an der Macht bleibt.

Der ehemalige Präsident Donald Trump ist zwar alles andere als ein Befürworter von Big Tech, wie die Kartellklage des Justizministeriums (Department of Justice, DoJ) gegen Google während seiner Präsidentschaft im Jahr 2020 zeigte. Aber wir glauben, dass die allgemeine Abneigung der republikanischen Partei gegen die Regulierung von Unternehmen bei Big Tech von Bedeutung sein könnte. Insbesondere wenn Trump für eine zweite Amtszeit gewählt wird, erwarten wir, dass sich die Art und Weise ändert, wie die FTC Fusionen und Übernahmen von Big Tech-Unternehmen bewertet. Das würde den großen etablierten Technologieunternehmen die Möglichkeit geben, ihre Übernahmemuskeln erneut spielen zu lassen.

Im Folgenden erfahren Sie, wie sich die verschiedenen Ergebnisse der Wahlen im November auf die M&A-Aktivitäten von Big Tech auswirken könnten.

Szenario 1: Demokratischer Präsident, Demokratischer Senat

Wenn Vizepräsidentin Kamala Harris die Präsidentschaftswahlen gewinnt und die Demokratische Partei die Kontrolle über den Senat behält, werden wir unserer Meinung nach weiterhin eine intensive regulatorische Überwachung von Fusionen und Übernahmen bei Big Tech erleben.

In den letzten mehr als drei Jahren gingen Fusionen und Übernahmen im Big-Tech-Bereich drastisch zurück.

Die einzige bemerkenswerte große Big-Tech-Akquisition unter der Biden-Regierung war die Übernahme von Activision durch Microsoft. Die Übernahme wurde zwar von den europäischen Aufsichtsbehörden genehmigt, so dass Microsoft das Geschäft abschließen konnte, steht aber nach wie vor unter Beobachtung der FTC, die ihre Beschwerde gegen die Übernahme noch nicht abgeschlossen hat.

Obwohl Harris’ kalifornische Wurzeln und ihre frühere Haltung zur Unterstützung großer Fusionen und Übernahmen im Technologiesektor einige Analysten zu der Hypothese veranlassten, eine Harris-Regierung nehme eine nachsichtigere Haltung zur Regulierung von Big Tech ein, ist es unserer Meinung nach höchst unwahrscheinlich, dass sich die kartellrechtliche Haltung der Regierung gegenüber Big Tech wesentlich ändert, insbesondere wenn sie sowohl das Weiße Haus als auch den Senat kontrolliert. Bei Abstimmungen im US-Senat vertrat Harris mit die liberalsten Positionen. Andererseits war sie Vizepräsidentin, als die FTC beschloss, ein deutlich aggressiveres Kartellrechtssystem zu verfolgen.

Wir gehen davon aus, dass sich Big Tech nach einem demokratischen Wahlsieg von großen Fusionen und Übernahmen fernhalten und sich stattdessen auf den Rückkauf von Aktien konzentrieren wird - und weiterhin stark in künstliche Intelligenz investiert.

Szenario 2: Demokratischer Präsident, Republikanischer Senat

Wir glauben, dass ein demokratisches Weißes Haus und ein republikanischer Senat ein besseres Szenario für Big Tech darstellen als ein rein demokratischer Wahlsieg. Wir erwarten jedoch keine wirkliche Zurückhaltung, wenn es darum geht, das Kartellrecht bei Fusionen und Übernahmen von Big Tech durchzusetzen, selbst wenn es in Washington zu einer geteilten Verantwortung der beiden Parteien kommt.

Prominente Spender der Demokraten wie der LinkedIn-Mitgründer Reid Hoffman (der im Microsoft-Vorstand sitzt) und der IAC-Vorsitzende Barry Diller haben sich öffentlich gegen das derzeitige Kartellrecht ausgesprochen und gefordert, dass Harris, falls sie gewählt wird, Khan als FTC-Vorsitzende ablöst.

Im Falle eines reinen Wahlsiegs der Demokraten halten wir es für unwahrscheinlich, dass Harris Khan oder Jonathan Kanter, den obersten Kartellbeamten des Justizministeriums, ablöst. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie die beiden ablöst, wenn der Senat republikanisch dominiert ist, liegt etwas höher. Wir glauben, dass die Gegenreaktionen der Republikaner gegen Khan sowie der Druck prominenter demokratischer Spender Harris dazu zwingen könnten, sich für einen gemäßigteren Ansatz bei der Regulierung von Big Tech zu entscheiden, was die Ablösung von Khan und Kanter einschließen könnte.

Szenario 3: Republikanischer Präsident, Demokratischer Senat

Sollte Trump die Präsidentschaft gewinnen, halten wir es für wahrscheinlich, dass er neue Leiter für die FTC und die Kartellabteilung des Justizministeriums ernennt.

Die Ablösung von Khan und Kanter durch seine Regierung würde jedoch durch einen demokratischen Senat abgemildert, was wahrscheinlich zu einem Kandidaten führt, der Big Tech kritisch gegenübersteht, aber wahrscheinlich nicht die gleiche kämpferische Haltung hat wie FTC und DoJ im Augenblick.

Szenario 4: Republikanischer Präsident, Republikanischer Senat

Wir glauben, dass eine Präsidentschaft Trumps und eine republikanische Kontrolle des Senats aus Kartellrechtssicht das beste Szenario für Big Tech darstellt.

Für den Fall. dass die Republikaner sowohl das Weiße Haus als auch den Senat kontrollieren, erwarten wir, dass Khan und Kanter ihre Positionen verlieren. Wir denken, dass die Republikaner wirtschaftsfreundliche Persönlichkeiten ernennen, die bei Fusionen und Übernahmen durch Big Tech wahrscheinlich einen nachsichtigeren Ansatz verfolgen. Wir erwarten zwar, dass die M&A-Aktivitäten von Big Tech weiterhin von FTC und DoJ überwacht werden, gehen aber nicht davon aus, dass die Aggressivität in der Durchsetzung des Kartellrechts im Falle eines republikanischen Wahlsiegs deutlich abnimmt.

Während ein republikanischer Wahlsieg wahrscheinlich das beste Szenario für Big Tech ist, stellen wir fest, dass Trump die Zensurbemühungen von Unternehmen wie Alphabet GOOGL und Meta kritisiert hat und sich republikanische Abgeordnete und Senatoren dem Kampf angeschlossen haben.

Wir erwarten jedoch nicht, dass diese kritischen Ansichten die Entscheidungsfindung der Republikaner grundlegend beeinflussen, wenn es darum geht, neue Führungskräfte für die FTC und die Kartellabteilung des DoJ zu ernennen. Letztendlich glauben wir, dass der wirtschaftsfreundliche Kern der republikanischen Partei vermutlich erfolgreich für ein Kartellrechtssystem eintreten wird, das weniger kämpferisch ist als das derzeitige.

Wir glauben auch, dass die Erwartung eines nachsichtigeren Ansatzes gegenüber Fusionen und Übernahmen im Big-Tech-Bereich einer der Gründe ist, warum einige prominente Risikokapitalfirmen ihre Spenden an die Republikanische Partei im diesem Jahr erhöht haben.

Das regulatorische Umfeld bleibt herausfordernd

Wir glauben, dass die verstärkte Durchsetzung der Vorschriften bei Fusionen und Übernahmen von Big Tech mit einer breiteren Anwendung kartellrechtlicher Maßnahmen gegen diese Unternehmen einhergeht. Während sich die Fusionen und Übernahmen im Big Tech- Bereich in den letzten Jahren dramatisch verlangsamten, ist die Zahl der Monopolklagen gestiegen. Gegen Alphabet, Amazon, Nvidia NVD, Apple AAPL und Meta sind derzeit Verfahren anhängig, in denen sie beschuldigt werden, in ihren jeweiligen Geschäftsbereichen monopolistische Praktiken einzusetzen

Selbst wenn FTC und DoJ von gemäßigteren Führungskräften geleitet werden, erwarten wir nicht, dass solche Monopolklagen verschwinden. Wir glauben jedoch, dass die Art der von der FTC vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen und die Aggressivität, mit der sie die Durchsetzung des Kartellrechts verfolgt, wahrscheinlich abgeschwächt werden.

Abgesehen von Monopolfällen werden Regulierungsbehörden und Gesetzgeber unserer Meinung nach eine aggressivere Haltung gegenüber KI einnehmen. Wir glauben, dass diese zusätzliche Aufsicht die regulatorische Belastung für Big Tech erhöhen wird und die Unternehmen von ihrer gewohnten Art der Produktentwicklung - „schnell zu handeln und Dinge zu zerstören“ - abbringen wird.

Regulierungsbehörden in ganz Europa und den USA untersuchen mehrere Investments, die große Tech-Unternehmen in KI-Startups getätigt haben. Wir erwarten zwar, dass die Big-Tech-Unternehmen ihre diesbezüglichen rechtlichen Herausforderungen meistern werden, aber wir erwarten nicht, dass der Druck der Regulierungsbehörden nachlässt, insbesondere in einem Bereich, der so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht wie KI.

Außerdem glauben wir, dass die Gesetzgeber zunehmend strengere Datenschutzrichtlinien durchsetzen wollen, die sich auf Big Tech auswirken könnten. Die europäische Datenschutz-Grundverordnung hat Big Tech gezwungen, einige Praktiken in Bezug auf Datenmanagement, -speicherung und -schutz zu ändern. Wir glauben, dass ähnliche Gesetze in den USA vorgeschlagen werden könnten, was die regulatorische Belastung für Big Tech weiter erhöhen würde.

Die zwei wichtigsten Investmentideen für Big Tech

Unsere beiden wichtigsten Big-Tech-Aktien sind:

  1. Microsoft
  2. Alphabet

Microsoft

  • Morningstar Rating: 4 Sterne
  • Morningstar Economic Moat Rating: Weit
  • Fair Value-Schätzung: $490
  • Kurs/Fair Value-Schätzung (Stand:2. Oktober 2024): 0,86

Microsoft hat bewiesen, dass es selbst in einem restriktiven Umfeld geschickt hinter den Kulissen zu manövrieren weiß. Sollte sich die Situation entspannen, verfügt Microsoft über eine gefüllte Kriegskasse und eine klare Strategie, so dass das Unternehmen unserer Meinung nach Kapital in weitere KI-bezogene Deals investieren würde, um seine Forschungs- und Entwicklungsbemühungen zu beschleunigen. Abgesehen davon halten wir Microsoft-Aktien für attraktiv - unabhängig davon, welche Partei im November die Oberhand gewinnt.

Alphabet

  • Morningstar Rating: 4 Sterne
  • Morningstar Economic Moat Rating: Weit
  • Fair Value-Schätzung: $209
  • Kurs/Fair Value-Schätzung (Stand:2. Oktober 2024): 0,80

Obwohl Alphabet im Gegensatz zu Microsoft sehr stark unter dem Mikroskop der Aufsichtsbehörden steht, sind wir der Meinung, dass der Schaden zu groß war, der der Bewertung des Unternehmens durch die kartellrechtlichen Anfechtungen zugefügt wurde. Daher haben Anlegern hier eine Gelegenheit, Aktien zu einem attraktiven Preis zu kaufen.


Der Autor/Autorin oder die Autoren besitzen keine Aktien der in diesem Artikel erwähnten Wertpapiere. Informieren Sie sich über die Redaktions-Richtlinien von Morningstar.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Malik Ahmed Khan  Aktienanalyst bei Morningstar