Anleihen: Wo liegen die Chancen bei fallenden Zinsen?

Hochzinsanleihen entwickeln sich nach wie vor überdurchschnittlich gut, aber es ist wichtig, selektiv vorzugehen.

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Illustration eines Fernglases mit grafischen Elementen und Zeitreihendiagramm im Hintergrund

Mit einer dritten Zinssenkung in kurzer Zeit setzt die Europäische Zentralbank den erwarteten Weg fort, nachdem die Inflation angesichts des 2 %-Ziels ein akzeptables Niveau erreicht hat. Danach rechnet der Markt mit mehreren weiteren Lockerungsschritten, sofern die Inflation nicht wieder aufflammt. Was bedeutet das für die Anleihen-Investoren?

Die rasch sinkende Inflation gibt Anlass zur Sorge über ein geringes Wirtschaftswachstum in Europa. Doch obwohl das Wirtschaftswachstum in absoluten Zahlen gering ist, scheinen die Ängste der Anleger vor einer realen Rezession tatsächlich nachgelassen zu haben. So ist die Zinsstrukturkurve schon seit einiger Zeit nicht mehr invers, d. h. die kurzfristigen Zinsen sind jetzt wieder niedriger als die langfristigen, nachdem sich dies 2022 umgekehrt hatte. Eine inverse Kurve deutet darauf hin, dass die Anleger für die Zukunft ein geringeres Wachstum und damit auch niedrigere Zinssätze erwarten. Als Faustregel gilt, dass eine inverse Kurve der Vorbote einer Rezession sein kann.

Der Trend zu Zinssenkungen in diesem Jahr hat die Anleiherenditen in die Höhe getrieben, wobei Hochzinsanleihen besser abschnitten als Unternehmensanleihen, Kernanleihen und Staatsanleihen, wie die nachstehende Grafik zeigt:

Wo sind Unternehmensanleihen am attraktivsten?

Wo liegen die besten Chancen für Anleihen im derzeitigen Umfeld fallender Zinsen, zumal diese im nächsten Jahr wohl weiter fallen werden? Fixed Income-Manager haben sich auf eine steilere Renditekurve in den USA eingestellt und bevorzugen die kurze Seite der Kurve, sagt Elbie Louw, Senior Manager Research Analyst, zum allgemeinen Bild des Anleihemarktes.

Als Region finden viele Anleihe-Manager die USA teuer und bevorzugen Europa und das Vereinigte Königreich, sagt Louw: “Innerhalb Europas ist Frankreich wegen politischer Bedenken untergewichtet, während Deutschland übergewichtet ist und das Vereinigte Königreich ebenfalls gefragt ist. Japan bleibt in den Anleiheportfolios vorerst insgesamt untergewichtet. Risikoreichere Regionen wie die Schwellenländer sind ebenfalls untergewichtet." Bei den Kreditsektoren seien defensive Sektoren übergewichtet, während zyklische Sektoren untergewichtet seien, so Louw.

High Yield-Anleihen sind bei Anlegern weiter sehr begehrt

Hochzinsanleihen haben sich in den letzten Quartalen überdurchschnittlich gut entwickelt und sind nach wie vor vorzuziehen. So ist das aktuelle makroökonomische Umfeld für BlackRock ein Grund, jetzt in Hochzinsanleihen einzusteigen, so Karim Chedid, Leiter des EMEA Investment Teams bei BlackRock, gegenüber Morningstar. “Da die Zinssätze in den Industrieländern sinken, ist es an der Zeit, sich die Renditen zu sichern, die in der Kategorie der Hochzinsanleihen nahe den historischen Höchstständen liegen”, so Chedid. “Wir mögen Hochzinsanleihen auf dem aktuellen Markt immer noch, mit einer leichten Präferenz für die USA gegenüber Europa”. Die effektiven Renditen sind in beiden Regionen mit 6,6% für die USA und 5,8% für Europa immer noch attraktiv, betont Chedid, auch wenn sie damit niedriger sind als noch vor einem Jahr. Da wurden noch rund 9 % verzeichnet.

Die Bedenken hinsichtlich des geringen Wirtschaftswachstums gelten nach Ansicht von Chedid für alle Anlageklassen: “Wir brauchen kein signifikantes Wachstum, damit Anleihen gut abschneiden. Hochzinsanleihen haben das in diesem Jahr bisher deutlich gezeigt.” Die Fundamentaldaten sind nach wie vor solide, und die Ausfallquoten (der Ausfall von Zins- und Tilgungszahlungen durch Emittenten) auf einer emittentengewichteten Basis “entsprechen dem langfristigen Durchschnitt der letzten 25 Jahre”, so Chedid.

Die Beliebtheit von Hochzinsanleihen hat dazu geführt, dass die Neuemissionen von Hochzinsanleihen im Jahr 2024 bisher sprunghaft angestiegen sind, sagt Morningstar-Fondsanalystin Jeana Doubell, die die Hochzinskategorie beobachtet: “Wir beobachten auch starke Zuflüsse von Vermögenswerten in den breiteren High-Yield-Markt, der Anfang Oktober hauptsächlich in BB- und B-Qualitätsanleihen investierte, die widerstandsfähiger bei Gegenwinden sind. Geringere Qualität mit einem CCC-Rating oder niedriger ist in Anleiheportfolios mit einem durchschnittlichen Engagement von weniger als 5% nicht so stark vertreten. Dies erreichte vor drei Jahren mit 14% seinen Höchststand.”

Wie kann man erfolgreich in Hochzinsanleihen investieren?

Analystin Doubell wies indes darauf hin, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 die Ausfälle im Segment mit geringerer Qualität aufgrund von mageren Ergebnissen, geringem Cashflow und erhöhtem Fremdkapitalanteil bzw. größeren Schuldenpositionen der Unternehmen zugenommen haben.

Im Segment der Hochzinsanleihen unterscheiden die Anleihenstrategen von Robeco klar zwischen Unternehmen mit höherer und niedrigerer Bonität. Denn obwohl wir uns jetzt in einem Umfeld von Zinssenkungen befinden, müssen die Unternehmen immer noch mit der Umschuldung von Krediten zurechtkommen, die zu einer Zeit aufgenommen wurden, als Nullzinsen so gut wie alltäglich waren. Unternehmen, die sich in einer weniger guten Verfassung befinden, haben laut Robeco viel mehr Schwierigkeiten, ihre Refinanzierung zu bewerkstelligen, was das Risiko von Umstrukturierungen und Abschreibungen für Investoren erhöht, so die Robeco-Manager Sander Bus (High Yield Manager), Reinout Schapers (Investment Grade) und Matthew Jackson (Investment Grade) in ihrem Kreditausblick für das vierte Quartal. Bus ist Co-Lead-Manager des mit Gold bewerteten Robeco High Yield Bonds Fonds.

Während sich die Portfoliomanager in Richtung Hochzinsanleihen bewegen, sind Anleihen mit höherer Qualität nach wie vor ein fester Bestandteil ihrer Portfolios. Morningstars Hochzins-Analystin Doubell stellt fest, dass der Anleihemarkt in der ersten Hälfte dieses Jahres noch eindeutig von länger anhaltenden hohen Zinsen ausging und deshalb zu dieser Zeit nicht in die riskanteren, niedrigeren Qualitäten investieren wollte. Aber jetzt, wo der Wechsel zu niedrigen Zinsen definitiv vollzogen ist, „zögern die Portfoliomanager noch immer, ihre hochwertigen Portfoliopositionen vollständig abzubauen“.

Der Fokus von Robeco auf Qualität ergibt sich vor allem aus den engen Spreads, d. h. dem Renditeunterschied zwischen 10-jährigen Staatsanleihen und Unternehmensanleihen. Bei engen Spreads überwiegt das Risiko einer geringeren Qualität nicht immer die potenzielle Rendite. Für das Robeco-Trio ist die Bewertung der Spreads der wichtigste Maßstab, um den Wert auf dem Markt zu beurteilen. Sie sagen, dass die Spreads in Anbetracht von 20 Jahren historischer Spread-Daten „in allen Segmenten des Kreditmarktes“ relativ eng sind. Dann komme es auf die Qualität an, vor allem bei Investment Grade-Anleihen, wo „die Spreads in den USA außergewöhnlich eng sind, während sie in Europa knapp unter dem 20-Jahres-Durchschnitt liegen, was Europa attraktiver macht als die USA“, so die Robeco-Manager.

Morningstar-Analystin Elbie Louw geht davon aus, dass sich die Spreads weiter einengen werden, was ihrer Meinung nach die Anleihemanager zur Vorsicht mahnt. Chedid von Blackrock sieht derzeit “keine wichtigen Faktoren, die die Spreads bei Hochzins-Anleihen ausweiten könnten”.

Nachfolgend finden Sie eine Liste der in Deutschland verfügbaren globalen Hochzinsanleihenfonds, die ein Morningstar Medalist Rating von Gold, Silber oder Bronze haben:


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Über den Autor

Robert van den Oever  ist Research Editor bei Morningstar in Amsterdam