Gerade als sich der chinesische Aktienmarkt nach einer langen Phase der Underperformance erholte, schürte die Rückkehr Donald Trumps die Aussicht auf einen neuen Handelskrieg mit den USA. Unmittelbar nach der Wahl fielen die inländischen Aktienmärkte, auch Fondsabflüsse sind bereits zu beobachten.
Fondsgesellschaften, die sich auf die Region konzentrieren, untersuchen, was das für Anleger bedeutet und wie China wahrscheinlich als nächstes reagieren wird.
Was sich Investoren in Bezug auf China fragen sollten:
- Wird Trumps zweite Amtszeit eine Neuauflage seiner ersten?
- Wird China weitere Konjunkturpakete auflegen und wann?
- Sind chinesische Aktien jetzt riskanter?
- Werden die Abflüsse aus chinesischen Aktien anhalten?
Handelskrieg China vs USA - Teil zwei?
Was können Anleger erwarten? Im Wahlkampf versprach Trump, in seiner zweiten Amtszeit Zölle von 60% oder mehr auf alles “Made in China” zu erheben, um Industrie und Arbeitsplätze in den USA zu schützen.
Einige sind der Meinung, dass das nicht passieren wird.
„Wir glauben, dass die Forderung nach 60% Zöllen eher ein Ausgangspunkt für Verhandlungen als eine feste Zahl sein könnte“, so Lynn Song, Chefökonom bei ING für den Großraum China, in einer am 6. November veröffentlichten Notiz.
Trotz der Rhetorik endete der erste Handelskrieg mit einem Waffenstillstand, nachdem China zugestimmt hatte, mehr landwirtschaftliche Güter aus den USA zu beziehen. Song meint, dass ein ähnliches Ergebnis - China erhöht die Importe von US-Gütern - ein willkommenes Ergebnis für die neue Trump-Administration wäre und die angespannte diplomatische Situation entschärfen würde.
Sandy Pei, Senior Portfolio Manager für Asien ohne Japan bei Federated Hermes, erklärt gegenüber Morningstar, dass sich die chinesische Wirtschaft bereits im Vorfeld des Regierungswechsels in den USA im nächsten Jahr verändert hat.
Chinesische Unternehmen haben alternative Produktionsstandorte in Südostasien, Osteuropa und Mexiko errichtet, einige Unternehmen verfügen auch über Kapazitäten in den USA.
Pei ist der Meinung, dass es auch etwas Spielraum für eine Abwertung der chinesischen Währung gibt, die Exporte billiger und Importe teurer macht. Zwar werden die Verbraucher einen Teil der Auswirkungen der Zölle zu spüren bekommen, doch „die Nettoauswirkungen dürften überschaubar sein“.
Was auch immer geschieht, die Zölle werden nicht sofort kommen. Song von ING glaubt, dass die Zölle frühestens im dritten Quartal 2025 eingeführt werden, wahrscheinlicher ist jedoch das vierte Quartal 2025 oder sogar das erste Quartal 2026.
Kommt jetzt der Stimulus für China?
In den letzten Monaten lautete ein gängiges Argument, dass ein Sieg Trumps und der vermeintliche Schock durch zusätzliche Zölle zu einer aggressiveren Stimulusreaktion Chinas führen würde, um die wahrscheinlichen Exportverluste auszugleichen.
Das folgt auf frühere Bemühungen, die lokale Wirtschaft anzukurbeln, wie etwa das erste geldpolitische Konjunkturpaket im September, das den Märkten kurzzeitig Auftrieb gab.
„Wir befinden uns in einer typischen Liquiditätsfalle“, sagte Erik Lueth, Global Emerging Market Economist bei Legal and General IM, in einem Videointerview mit Morningstar, “und wir glauben nicht, dass das in dem Stadium, in dem wir uns befinden, den Zweck erfüllen wird”.
Am 11. November stellte China ein Schuldenpaket in Höhe von 10 Billionen Yuan (USD 1,40 Billionen) vor, um die Finanzierungsprobleme der Kommunalverwaltungen zu lösen und das schwächelnde Wirtschaftswachstum zu stabilisieren. Der Plan sieht eine einmalige Erhöhung der Anleiheemissionen der lokalen Gebietskörperschaften in Höhe von CNY 6 Billionen über einen Zeitraum von drei Jahren vor sowie spezielle Anleiheemissionen der lokalen Gebietskörperschaften im Rahmen der jährlichen Quote in Höhe von CNY 4 Billionen über einen Zeitraum von fünf Jahren.
„Während der Umfang des Programms am oberen Ende der Markterwartungen liegt, ist viel wichtiger, was sie nicht gesagt haben. [Unerwähnt blieb], dass unverkaufte Immobilien gekauft oder der Konsum angekurbelt werden sollen“, so Justin Thomson, CIO und Leiter des Bereichs internationale Aktien bei T. Rowe Price, in einem Interview mit Morningstar.
„China ist nicht darauf vorbereitet, bei den Zöllen vorschnell zu handeln, und hält sein Pulver trocken für das neue Jahr“.
Sind chinesische Aktien jetzt riskanter?
Die erste Reaktion des chinesischen Aktienmarktes auf Trumps Wahlsieg waren bescheidene Kapitalabflüsse und Kursrückgänge. Nach Angaben von Morningstar zogen globale Anleger in der Woche nach der US-Wahl (5. bis 12. November) USD 1,1 Milliarde aus Investmentfonds ab, die in chinesische Aktien investieren.
Der Hang Seng Index in Hongkong litt am stärksten unter dem Verkaufsdruck nach der Trump-Wahl und fiel stärker als die Onshore-Märkte in Shanghai und Shenzhen. Das zeigt, dass ausländische Anleger mehr als inländische über den Wechsel im Präsidentenamt besorgt sind, sagt Song. Und die Performance einiger von Morningstar mit Gold bewerteter Fonds war 2024 beeindruckend, wie die Tabelle zeigt:
„Trumps Sieg ändert nichts an unserem Ausblick für chinesische Aktien“, sagt Sandy Pei, „denn der Markt hat die anhaltenden geopolitischen Risiken eingepreist". Die Fondsmanager von Federated Hermes sind der Meinung, dass die aktuellen Aussichten unsicher bleiben, das Land sich aber eher in einer Phase des notwendigen Übergangs als in einem langfristigen Niedergang befindet. Sie bleiben optimistisch, dass China seine Wirtschaft erfolgreich umgestalten kann, auch wenn das Zeit braucht und niemals schmerzlos sein wird.
Pei fügt hinzu, dass sich Trumps Politik negativ auf Exporteure auswirken könnte, die in Branchen konkurrieren, die in den USA etablierte Wettbewerber haben.
„Domestic Replacement“, bei dem chinesische Unternehmen eher für den heimischen Markt als für den Export produzieren, ist ein machtvolles Instrument, sagt Pei. Das zeigt sich in den Bereichen Technologie, Gesundheitswesen und hochwertige Konsumgüter sowie in Produktionsunternehmen, die in ihrer Branche führend sind und über Lieferketten außerhalb Chinas verfügen.
Anleger könnten China nach der kleinen Rallye in diesem Jahr weiterhin meiden, wobei die zweite Amtszeit Trumps im Jahr 2025 für weitere Unsicherheit sorgt. Dennoch argumentiert Song von ING, dass inländische Katalysatoren, wie künftige Konjunkturpakete und Wirtschaftsreformen, eine größere Rolle für chinesische Aktien spielen könnten.
Außerdem werden chinesische Aktien zu günstigen Bewertungen gehandelt, wie sie seit etwa einem Jahrzehnt nicht mehr gesehen wurden. Laut CEIC-Daten ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis an der Shanghai Stock Exchange so niedrig wie seit Ende 2015 nicht mehr. Darüber hinaus sind chinesische Aktien laut dem Global Market Barometer von Morningstar derzeit um 18% unterbewertet, gemessen am fairen Wert der von den Morningstar-Analysten beobachteten Aktien.
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