SNB senkt Leitzins überrraschend stark um 0,5 Prozentpunkte

Die meisten Volkswirte hatten einen Schnitt um nur 25 Basispunkte erwartet.

Antje Schiffler 12.12.2024
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SNB banner in Zurich

Die Schweizerische Nationalbank senkt den Leitzins stärker als erwartet um 50 Basispunkte auf nun 0,50 Prozent. Die allgemeine Erwartung hatte bei einer Zinskürzung um 0,25 Prozentpunkte gelegen. Der neue Leitzins gilt ab dem 13. Dezember.

„Der zugrundeliegende Inflationsdruck hat in diesem Quartal nochmals abgenommen. Mit der heutigen Lockerung der Geldpolitik trägt die Nationalbank dieser Entwicklung Rechnung“, heißt es in der Medienmitteilung der SNB. Man werde die Lage weiter genau beobachten.

Im Vergleich zu Europa bleibt die Inflation in der Schweiz niedrig und gibt der SNB Handlungsspielraum. Zwar stieg die Gesamtinflation im November im Jahresvergleich leicht auf 0,7 % (Oktober: 0,6 %), doch dies war aufgrund von Basiseffekten im Energiesektor erwartet worden. Das Niveau bleibt deutlich unter dem 2 %-Ziel der Bank. Insgesamt wird die Inflation in der Schweiz weiterhin vor allem von den inländischen Dienstleistungen bestimmt.

Der Markt hatte im Vorfeld einen Schritt von fast 40 Basispunkten eingepreist, doch Ökonomen hatten auf den bereits niedrigen Zins verwiesen und eher einen Schritt von 25 Basispunkten erwartet. Schließlich stünden der Zentralbank nur vier Zinsschritte zur Verfügung, bis sie wieder im negativen Bereich sei, gab Martina Honegger-Romahn, Lead Portfolio Manager Fixed Income Schweiz bei Allianz Global Investors, im Vorfeld der Entscheidung zu Bedenken.

„Wir begrüßen die politischen Entscheidungen und halten sie für völlig gerechtfertigt, da die Inflationsrisiken eindeutig nach unten gerichtet sind und das Wachstum unter dem Potenzial liegt“, schrieb Karsten Junius, Chefvolkswirt bei J. Safra Sarasin, in einer Research Note am Donnerstagmorgen. „Hinzu kommt, dass die Handelspartner der Schweiz mit strukturellen und konjunkturellen Problemen zu kämpfen haben. Wir erwarten zwei weitere Zinssenkungen um 25 Basispunkte im März und Juni auf 0%, ein Niveau, das unserer Meinung nach bis Ende 2026 anhalten wird. Wir erwarten eine leichte Aufwertung des Schweizer Frankens auf 0,92 EUR/CHF“, so der Ökonom.

SNB senkt Inflations- und Wachstumsprognose

Die SNB adjustierte zudem ihre Inflationsprognose. Sie liegt nun in der kürzeren Frist unter der Prognose von September. „Dies widerspiegelt vor allem die tiefer als erwartete Teuerung der Erdölprodukte und Nahrungsmittel. In der mittleren Frist ist sie dank der heutigen Zinssenkung wenig verändert“, führt die Bank weiter aus.

Die neue Prognose befindet sich über den gesamten Prognosezeitraum im Bereich der Preisstabilität:

  • Jahresdurchschnitt 2024: 1,1% 

  • Jahresdurchschnitt 2025: 0,3% 

  • Jahresdurchschnitt 2026: 0,8% 

Die Prognose beruhe auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum 0,5% beträgt.

Zudem passte die SNB die Wachstumsprognose für 2025 nach unten auf nun 1 % bis 1,5 % an. Diese Anpassung reflektiert die Unsicherheiten im globalen wirtschaftlichen Umfeld und die Herausforderungen für die Schweizer Exportwirtschaft.

Franken verliert gegenüber Euro

Am Devisenmarkt erzielte der überraschende Schritt die erwünschte Wirkung. Der Euro gewann gegenüber dem Franken deutlich. SNB-Präsident Martin Schlegel betonte zudem, dass die Bank bereit sei, an den Devisenmärkten aktiv zu werden. Die SNB will die Aufwertung des Franken begrenzen, da der starke Franken die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Exporte beeinträchtigt, insbesondere angesichts der schwachen Nachfrage in Europa und China.

Die Renditen für Schweizer Staatsanleihen sanken am Donnerstagmorgen, was die Erwartungen widerspiegelt, dass die SNB ihren expansiven geldpolitischen Kurs fortsetzen wird. Der Schweizer Aktien-Leitindex SMI stieg um 0,9%.

Die SNB begann früher als andere Zentralbanken mit Zinssenkungen. Bereits im März startete sie als erste große westliche Notenbank den Zinssenkungszyklus und setzte diesen im Juni und September fort.

SNB: Bald wieder negative Zinsen?

Weitere Zinsschritte seien möglich, so die Bank. Die Nationalbank werde die Lage genau beobachten, heisst es in der Mitteilung. Nach der letzten Lagebeurteilung war die Wortwahl deutlicher gewesen, konstatiert die Nachrichtenagentur awp. Damals hatte es geheissen, dass in den nächsten Quartalen weitere Zinssenkungen erforderlich werden könnten. SNB-Präsident Schlegel betonte allerdings, dass niemand negative Zinsen möge, auch nicht die SNB.

Auch Junius von J. Safra Sarasin bekräftigt, dass er negative Zinsen für sehr unwahrscheinlich hält. Vielmehr gehe er von Leitzinsen von 0% ab Juni 2025 bis Ende 2026 aus.

Nachdem die SNB ihren Zinsentscheid am Donnerstagmorgen verkündet, folgt die Europäische Zentralbank am Nachmittag. Sie dürfte eine Senkung von 0,25 Prozentpunkten beschließen. In der Woche darauf am 18. Dezember folgt die US-Notenbank. Am Vortag hatte die Bank of Canada ihren Leitzins um ebenfalls 50 Basispunkte gesenkt.

Wie wirken Zinssenkungen auf die Kapitalmärkte?

Aktienmärkte tendieren dazu, bei erwarteten Zinssenkungen zu steigen, während die Anleihemärkte eher unter Druck sind. Andererseits bedeuten sinkende Zinssätze bei bereits hohen Zinsen auch niedrigere Anleiherenditen, was die Anleihekurse nach oben treibt. Niedrigere Zinssätze machen auch bestehende Anleihen, insbesondere solche, die bereits in einer Zeit hoher Zinssätze ausgegeben wurden, attraktiver im Hinblick auf Renditen.

Gleichzeitig werden die Sparzinsen auf Bankkonten wahrscheinlich sinken, zum Nachteil der Sparer. Kreditnehmer hingegen werden von den niedrigeren Zinsen profitieren, da Verbraucherschulden und Hypotheken billiger werden.

Hypotheken durch Zinssenkung attraktiver

Im Jahr 2024 sanken die Schweizer Bauzinsen über alle Hypothekenarten hinweg, vor allem durch die dreimalige Leitzinssenkung der SNB, und sind historisch gesehen günstig. Festhypotheken wurden günstiger, besonders die zehnjährigen Varianten mit Zinsen zwischen 1,40 % und 2,00 %. Auch SARON-Hypotheken profitierten durch niedrigere Geldmarktzinsen, mit einem SARON von 0,95 % im Dezember.


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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.