Der Handelskrieg hat die Kurse von US-Staatsanleihen am Mittwoch stark nach unten gedrückt und die Renditen in die Höhe getrieben - eine paradoxe Entwicklung, denn die Weltwirtschaft steht vor einer Rezession.
Als wichtiger sicherer Hafen bieten Staatsanleihen in der Regel niedrigere Renditen in einer Zeit, in der die Anleger Schutz vor der Volatilität suchen. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession wird vom Morningstar-Ökononom für die USA, Preston Caldwell, auf 40-50 % geschätzt.
Wenn die Renditen hoch bleiben und damit die Kreditaufnahme verteuern, könnte dies die Herausforderungen für die US-Wirtschaft verschärfen - und diese steht durch die dramatischen Störungen des Welthandels bereits auf schwachen Füßen steht.
Die Renditen für 10-jährige US-Staatsanleihen sind von 4,29 Prozent am Vortag auf 4,37 Prozent angestiegen. Die Renditen für Anleihen mit längeren Laufzeiten sind ebenfalls gestiegen. Die Rendite für 30-jährige US-Anleihen lag am Mittwochmorgen bei 5 Prozent, verglichen mit 4,84 Prozent bei Börsenschluss am Dienstag.
Das “Sell America”-Szenario wird wieder greifbar, da Treasuries und US-Aktien unter Druck stehen, sagte ING-FX-Stratege Francesco Pesole. “Das kann eine sehr toxische Kombination für den US-Dollar sein. Die Märkte bestrafen eindeutig wieder US-Anlagen, nachdem die 104%igen China-Zölle in Kraft getreten sind.”
“Unter den Anlegern gibt es eine echte Angst vor dem Schaden, den dieser Handelskrieg der Wirtschaft zufügen könnte”, sagte Michael Field, Senior European Market Strategist bei Morningstar. “Die fallenden Anleihekurse und die steigenden Renditen spiegeln dies nur wider.”
Die Rolle der Hedgefonds beim Ausverkauf von Staatsanleihen
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt scheint der Status von US-Staatsanleihen als sicherer Hafen ins Wanken zu geraten. Anleger meiden die üblichen sicheren Anlagen zugunsten von Bargeld. Bei dem laufenden Ausverkauf haben Hedgefonds eine wichtige Rolle gespielt.
Einem Bericht von Reuters vom Mittwoch zufolge wurden langfristige Treasuries von Hedge Fonds intensive verkauft, die sich geliehen hatten, um auf enge Lücken zwischen den Preisen von Treasuries und den Preisen von Futures auf sie zu wetten. Im Branchenjargon wird dies als „Basis-Trade“ bezeichnet. Dabei werden gehebelte Wetten abgeschlossen, um von der Konvergenz zwischen dem Preis des Futures und dem Preis der Anleihe zu profitieren, wenn sich der Futures-Kontrakt der Fälligkeit nähert.
Auf der markttechnischen Seite wird weithin berichtet, dass US-Staatsanleihen liquidiert werden, um die Kapital- und Margenanforderungen zu erfüllen, da die Hebelwirkung abgebaut und aus den Kapitalmärkten abgezogen wird“, sagte Morningstar-Chefstratege für Multi-Asset-Anlagen Dominic Pappalardo am Mittwoch.
„Der Positionsabbau wird oft von Brokerhäusern erzwungen, wenn die Volatilität ansteigt, und kann eine Welle von Zwangsverkäufen auslösen, die sich auf die Preise von Anlagen auswirkt“, erklärte er. „US-Treasuries sind eine gängige Sicherheit für diese fremdfinanzierten Positionen, da ihr traditionell stabiler Wert und ihre hohe Kreditqualität gut funktionieren.“
Renditen der Bundesanleihen bleiben stabil
Der Ausverkauf erstreckte sich von US-amerikanischen auf japanische Staatsanleihen, wobei die Rendite der 30-jährigen japanischen Staatsanleihe auf ein 21-Jahres-Hoch stieg. In Europa hingegen stieg die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe zur Eröffnung an und fiel dann auf etwa 2,62 Prozent zurück, was nahezu unverändert gegenüber dem Schlusskurs vom Dienstag ist. Die Rendite der deutschen 30-jährigen Bundesanleihe blieb ebenfalls stabil und bewegte sich um die 3 Prozent.
Unter den anderen Ländern der Eurozone ist der Anstieg der Renditen in Italien signifikant, wo die 10-jährige BTP bei 3,90 Prozent liegt, nachdem sie zu Beginn der Sitzung noch 4 Prozent erreicht hatte. Der Abstand zwischen den Renditen italienischer und deutscher Staatsanleihen stieg von 122 Punkten am Dienstag auf 130 Punkte.
Sind US-Staatsanleihen kein sicherer Hafen mehr?
Die Märkte bevorzugen deutsche Staatsanleihen als sichere Anlagen, während Rezessionsängste das Vertrauen in den Dollar und US-Staatsanleihen als sichere Anlagen schwinden lassen.
“Die Dynamik ist ungewöhnlich: Vor dem Hintergrund der makroökonomischen Abschwächung und der Handelsspannungen würde man einen Kaufstrom in Treasuries erwarten, nicht einen Verkauf”, so Carlo De Luca, Leiter der Vermögensverwaltung bei Gamma Capital Markets. Er hebt zwei Faktoren als mögliche Ursachen hervor:
Erstens, das Aufbrechen von Basisgeschäften: “Der Handel, der stark gehebelt ist (bis zum 50-100fachen), basiert auf kleinen Konvergenzbewegungen”, erklärt er. “Die jüngsten Spannungen haben viele Fonds dazu gezwungen, verlustbringende Positionen zu liquidieren und Staatsanleihen zu verkaufen, was den Druck noch verstärkt hat. Einigen Schätzungen zufolge beläuft sich das Gesamtengagement in dieser Strategie auf über 800 Milliarden Dollar.”
Zweitens, ausländische Verkäufe: Es ist möglich, dass ausländische Investoren Treasuries verkauften, um sich Dollar zu beschaffen, obwohl es keine eindeutigen Beweise gibt. Die Auktion von 3-jährigen Treasuries zeigte eine sehr schwache Inlandsnachfrage, wobei nur 6,2 % von US-amerikanischen Versicherungs- und Pensionsfonds absorbiert wurden, verglichen mit einem Durchschnitt von 19 %.
Die Schwäche des Dollars hat das Währungspaar EUR-USD wieder über die Marke von 1,10 getrieben. Laut Ipek Ozkardeskaya, leitende Analystin bei der Swissquote Bank, könnte der Euro einige Zuflüsse als “sicherer Hafen” anziehen. “Trotz der europäischen Konjunkturprogramme werden deutsche Bundesanleihen zunehmend als Alternative zu US-Staatsanleihen angesehen. Die deutsche 10-jährige Rendite ist seit Mitte März kontinuierlich gesunken, während die 10-jährige US-Rendite in nur drei Sitzungen von unter 4 % auf über 4,50 % angestiegen ist.”
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