Sicherlich war der 28. Februar ein schwarzer Tag für den Sektor, denn zum ersten Mal wurde ein biotechnologisch hergestelltes Produkt vom Markt genommen. Biogen Idec zog Tysabri – ein Produkt für die Behandlung von Multipler Sklerose – vom Markt zurück. Der Grund dafür war, dass bei zwei Patienten schwerwiegende Nebenwirkungen auftraten, wobei ein Patient an den Folgen starb. Im November 2004 bewilligte die Zulassungsbehörde FDA Tysabri aufgrund von ausgezeichneten klinischen Daten. Die Umsatzschätzungen von Analysten lagen bei rund 3 Milliarden Dollar. Deshalb war die Enttäuschung im Markt groß, und die Aktien von Biogen Idec fielen um mehr als
40%. Auf dem heutigen Kursniveau jedoch eskomptieren die Titel, dass Tysabri nicht mehr auf den Markt kommt.
Für den gesamten Sektor erwarten wir die Zulassung von rund 20 neuen Produkten im laufenden Jahr.
Ihr Fonds ist fast komplett in US-Titel investiert. Wie sehen Sie Biotech-Unternehmen aus anderen Regionen bzw. wann würden sie für ihren Fonds in Frage kommen? Nehmen sie eine (teilweise) Währungssicherung vor?
Der amerikanische Markt ist reifer als der europäische Markt. Die Anzahl der kotierten Gesellschaften in den USA ist viel höher als diejenige Europas. Somit können wir in den USA in Gesellschaften investieren, die in verschiedenen Entwicklungsstufen stehen. Für uns spielt es aber keine Rolle, wo die Gesellschaft tätig ist. Das Produktepotential eines Unternehmens muss aber vorhanden sein. Wir halten z.B. eine Position an der schweizerischen Firma Actelion, die erfolgreich das Produkt Tracleer – zur Behandlung von pulmonalen arteriellen Hypertonie - verkauft. Die Gesellschaft versucht, mit weiteren klinischen Versuchen den Anwendungsbereich – z.B. in pulmonalen Fibrose - des Produktes zu vergrößern.
Wir nehmen keine Währungssicherung vor. Der Investor weiß aber, dass er einem Dollarrisiko ausgesetzt ist, da der Fonds auch mittelfristig einen Dollaranteil von rund 95% halten wird.
Welche Kriterien legen sie bei der Aktienauswahl an?
Wichtig ist, dass wir das Potenzial eines Produktes einschätzen können. Sonst taugen die verschiedenen Bewertungsmodelle wenig. Patientenanzahl, Konkurrenzprodukte und Marktdurchdringung sind entscheidend für das Marktpotential eines Produktes. Wir investieren in Gesellschaften, deren Produkte überzeugende Daten in den klinischen Phasen aufweisen. Zudem sollte das Medikament klare Fortschritte in der Behandlung einer Krankheit bringen. Das erwähnte Produkt Avastin von Genentech erfüllt alle diese Bedingungen. Neben dem Produktepotenzial ist das Management von zentraler Bedeutung. Gewisse Managements kennen wir schon seit über 10 Jahren und haben mit ihnen auch Rückschläge erlebt. Bereits wie die Leute in solch schlechten Phasen reagierten, war aufschlussreich. Erfolgreiche Unternehmen informierten uns mit großer Transparenz. Das Management von z. B. Gilead Sciences überzeugt uns mit einem klaren Business-Plan und einer guten Ausführung.
Wie sind die Unternehmen, die bereits Produkte am Markt haben, gegenüber denjenigen bewertet, deren Wirkstoffe sich noch in der klinischen Phase befinden?
Die Investoren sind risikoscheuer geworden. Deshalb sind zahlreiche kleine bis mittelgroße Biotechnologieunternehmen in Vergessenheit geraten. Die Bewertung diese Gesellschaften ist attraktiv. Wir nutzen diesen Umstand mit gezielten Käufen aus. Die Bewertungen der profitablen Biotechnologiefirmen liegen im historischen Schnitt. Zum Beispiel liegt das PEG Ratio momentan bei 1,4 im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt von 1,5.
Wie gehen Sie mit kontroversen Themen um, vor allem wenn sie bereits wirtschaftliche Bedeutung haben? Z.B.: Grüne Biotechnologie
Obwohl ich als Fondsmanager die wirtschaftlichen Aspekte in den Vordergrund stellen muss, kommt es selten zu Konflikten mit der Ethik, da finanzielle und ethische Überlegungen in der Regel zu den gleichen Entscheidungen führen. Weil zahlreiche Konsumenten etwa die Produkte der Agrobiotechnologie ablehnen, halten wir auch keine Aktien aus diesem Bereich im Fonds. Zudem finden wir genug attraktive Anlagemöglichkeiten im ‚traditionellen Biotechnologiebereich’.
Welche Akzente setzen Sie derzeit in ihrem Fonds?
Wie gesagt, wir legen vor allem Wert auf Produkte. Es spielt für uns keine Rolle, ob ein Medikament gegen Krebs wirkt oder den Blutdruck senkt. Wichtig ist das Produktepotenzial. Über 25% des Fonds sind in Gesellschaften investiert, die Mittel für die Krebsbekämpfung entwickeln. Dies ist ein Resultat unseres Primärresearch in der Produkteanalyse. Rund 75% des Fonds sind in Biotechnologieunternehmen investiert, die bereits Produkte verkaufen. Gesellschaften mit Produkten in Phase 3 – der letzten Phase vor der Bewilligung – machen rund 12% aus.
Zusammenfassend: Was spricht Ihrer Meinung nach für ein Investment in Biotechnologie und welchen Anlagehorizont sollte ein Anleger mitbringen?
Mittel- und langfristig sehen wir große Fortschritte in der Forschung und Entwicklung. Dank Proteomics und dem Einsatz neuer Technologien dürften zahlreiche innovative Medikamente auf den Markt kommen, die mit weniger Nebenwirkungen gezielt Krankheiten bekämpfen. Für die nächsten Jahre erwarten wir im Biotechnologiesektor ein Umsatzwachstum von 20% bis 25%. Anleger sollten einen Anlagehorizont von 3 bis 5 Jahre besitzen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview erschien ursprünglich im Magazin Going Public
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