Höhenrausch in China

China-Aktien waren in letzter Zeit für einige Überraschungen gut.

Natalia Wolfstetter 23.03.2007
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Ende Februar brachen die Kurse an der wichtigsten Festlandbörse in Shanghai um fast 9% ein und lösten einen weltweiten Kursrutsch aus – um den Höhenflug danach wieder fortzusetzen. Die Vorgeschichte: 2006 war ein erfreuliches Jahr für chinesische Aktien. Dies galt insbesondere für den innerchinesischen Aktienmarkt, der allerdings bis 2005 wenig Lebenszeichen zeigte. Zwei Drittel der Aktien befanden sich in staatlicher Hand und waren nicht handelbar. Investoren trieb die Furcht vor einer Aktienflut bei einer Freigabe dieser Papiere um. Das Jahr 2005 war dann von Kapitalmarktreformen geprägt (mehr dazu hier). Im vergangenen Jahr endete schließlich die Zwangspause für Börsengänge, die

seit 2004 galt, was zu einer Welle neuer Erstnotierungen im vergangenen Jahr führte.

Darunter der im Herbst 2006 erfolgte Börsengang der Industrial and Commercial Bank of China (ICBC), der sowohl in Shanghai als auch in Hong Kong erfolgte. Vor kurzem führte der Lebensversicherer China Life seine Erstplatzierung auf dem innerchinesischen Markt durch. Weitere chinesische Großunternehmen, deren Aktien bereits in Hong Kong gehandelt werden, gelten als Kandidaten für ein Listing an den Festlandbörsen. Dort sind parallel an beiden Märkten gelistete Unternehmen meist teurer als die gleichnamigen H-Shares – der enormen Nachfrage sei Dank.

Denn stetige Zuflüsse in den Aktienmarkt scheinen gesichert. Chinesische Anleger haben wenige Alternativen. Die Zinsen sind niedrig, im Ausland dürfen sie nicht investieren und auf die staatliche Altervorsorge möchten sich die wenigsten verlassen. Institutionelle Anleger wie Versicherer dürfen ebenfalls in Aktien anlegen. Zwar nur stark begrenzt, aber für Nachschub sorgen die steigenden Prämieneinnahmen auf dem chinesischen Versicherungsmarkt.

Die starke Nachfrage schürt die Angst vor einer Liquiditätsschwemme. Die chinesische Zentralbank erhöhte die Zinsen und den Mindestreservesatz für Banken, um der Ausbildung einer Spekulationsblase am Aktienmarkt entgegenzuwirken. Die Finanzmarktaufsicht erließ Beschränkungen für Kreditaufnahmen, die für Investitionen in Immobilien und am Aktienmarkt dienen. Unternehmen dürfen zudem Einnahmen aus Aktienemissionen nicht mehr dazu nutzen, um an der Börse zu spekulieren.

Nun investieren Chinafonds, die beispielsweise deutschen Anlegern zugänglich sind, nur einen Bruchteil ihrer Gelder an den chinesischen Festlandbörsen. Dies liegt an der Struktur des chinesischen Kapitalmarkts. Die Handelsplätze im Inland sind größtenteils den Chinesen selbst vorbehalten, Ausländer erwerben hauptsächlich die Aktien chinesischer Unternehmen mit Börsennotierung in Hong Kong (H-Shares und Red Chips). Die H-Shares bewegen sich nicht zwingend im Gleichklang mit den Festlandmärkten. Sie sind zwar generell um einiges günstiger bewertet als die Titel, die in Shanghai und Shenzhen notieren. Doch auch für diese Portfolios weist die Morningstar Style Box generell eine Wachstumsorientierung auf. Wachstumstitel sind eher teuer, Investoren billigen ihnen aber im Gegenzug überdurchschnittliche Wachstumsaussichten zu. Dies ist beispielsweise beim Baring Hong Kong China Fund der Fall, einem der ältesten Vertreter dieser Fondsgruppe. Fondsmanagerin Lilian Co gesteht zwar ein, dass die Bewertungen chinesischen Aktien auch über dem Niveau anderer asiatischer Schwellenmärkte liegen, sieht dies aber durch ein gutes Gewinnwachstum und die Eigenkapitalrenditen gestützt. Vorbehalte hat sie allerdings bei margenschwachen chinesischen Exportunternehmen, denen hohe Rohstoffkosten und die Risiken einer Währungsaufwertung zusetzen. Mehr abgewinnen kann sie Konsumwerten (Automobile, Einzelhandel), die auf die steigende Kaufkraft in China abzielen oder Unternehmen, die im Bereich Infrastruktur tätig sind. Für letzteres steht China Communications Construction, die aktuell größte Position im Portfolio (Gewicht 7%). Das Unternehmen ist im Hafen-, Brücken- und Eisenbahnausbau tätig.

Auch Martha Wang, seit Mai letzten Jahres für den Fidelity China Focus Fund verantwortlich, gibt sich optimistisch. Diesen Fonds gibt es erst seit 2003. Das verwaltete Volumen ist aber im Laufe der Jahre auf mittlerweile 6,5 Mrd. US-Dollar gestiegen, parallel zur Anzahl der Positionen im Portfolio. War der Fonds zu Beginn noch relativ konzentriert in etwa 50 Werte investiert, sind es mittlerweile über 100. Größter Wert im Portfolio mit über 9% Gewicht ist China Life. Der Lebensversicherer ist Marktführer in China und als erster aus der Branche seit kurzem auch in Shanghai gelistet. Der chinesische Markt bietet noch viel Spielraum für Versicherer, wofür China Life dank seines exklusiven Vertriebsnetzes gut aufgestellt ist. Die Morningstar Aktienanalysten halten die Aktie allerdings für sehr ambitioniert bewertet. Ebenfalls mit rund 9% gewichtet ist der größte chinesische Ölkonzern, PetroChina. Das Unternehmen, zu dessen Aktionären auch Warren Buffett gehört, profitiert einerseits natürlich vom unstillbaren Energiehunger in der Volksrepublik sowie von hohen Ölpreisen. Andererseits ist es mit steigenden Produktionskosten konfrontiert und kann hohe Rohstoffpreise aufgrund von staatlichen Preiskontrollen nicht an seine Kunden weitergeben.

Nun gehören China-Fondsmanager sicherlich nicht zu den größten Pessimisten, was die weitere Entwicklung des chinesischen Aktienmarktes angeht. H-Shares sind zwar dank besserer Rechnungslegungsvorschriften transparenter als die an den Inlandsmärkten gehandelten Aktien. Doch ist der staatliche Einfluss in den meisten Unternehmen weiterhin sehr hoch. Anleger müssen sich also selbst ein Bild darüber machen, ob sich das Risiko eines eng gefassten Länderfonds für sie lohnt oder nicht doch eher ein Investment in breiteren Asien- oder Schwellenländerfonds in Frage kommt. Zudem stellt sich auch die Frage aktiv oder passiv. Mittlerweile ist es möglich, über Indexinvestments in China zu investieren. Verschiedene Anbieter börsengehandelter Fonds haben ETFs zum Thema China im Programm: darunter den Dow Jones China Offshore 50 von Indexchange, den Lyxor ETF China Enterprise oder den iShares FTSE/Xinhua China 25. Auch diese Anlagen bieten Zugang zu großen, hauptsächlich in Hong Kong notierten chinesischen Unternehmen.

Welche Risiken sollten Anleger beachten?

Die chinesische Wirtschaft wächst seit mehreren Jahren um 8-10% pro Jahr. Chinesische Unternehmen waren allerdings jahrelang als ineffizient verschrien, von Kapitalverschwendung und massiven Überkapazitäten war die Rede. Investitionen werden finanziert von staatlichen Banken, die einen Berg voller fauler Kredite vor sich herschoben. Hohen Umsatzwachstumszahlen standen schwache Gewinnmargen gegenüber. Diese gerieten durch steigende Lohn- und Rohstoffkosten zusätzlich unter Druck, während der starke Wettbewerb den Preisen für ihre Endprodukte zusetzte.

Andere Stimmen sind von mehr Optimismus geprägt. Der Tenor: Im Durchschnitt wirtschaften chinesische Unternehmen besser als noch vor einigen Jahren. Der Einfluss des privaten Sektors steigt. Restrukturierungen bei Staatsunternehmen tragen erste Früchte. Die gestiegene Produktivität hat die Kostensteigerungen überkompensiert.

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Profitable Unternehmen sind durchaus zu finden, wenn auch manche Branchen mit Überhitzungserscheinungen zu kämpfen haben. Zudem sind die veröffentlichten Bilanzen vieler chinesischer Unternehmen sicherlich weiterhin mit einigen Fragezeichen zu versehen. Ganz abgesehen davon, dass der chinesische Staat in den großen Unternehmen, die auch in den China-Aktienfonds die dominante Rolle spielen, noch sehr viel mitzureden hat. Viele Aktien befinden sich weiterhin in Staatshand. Dies schützt die Unternehmen vor unliebiger (ausländischer) Konkurrenz. Staatliche Preiskontrollen, etwa im Bereich Energie oder Treibstoffe, sollen helfen, die soziale Stabilität zu wahren, können aber auch dazu führen, dass Unternehmen nicht kostendeckend wirtschaften können.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Im Artikel erwähnte Wertpapiere

BezeichnungKursVeränderung (%)Morningstar Rating
Barings Hong Kong China A EUR Inc985,97 EUR0,10Rating
Barings Hong Kong China A USD Inc1.034,08 USD-0,16Rating
Fidelity China Focus A-Dis-USD60,69 USD-0,19Rating

Über den Autor

Natalia Wolfstetter  ist Director Fund Analysis bei Morningstar