sich Investoren aus Angst vor weiteren Hiobsbotschaften vom amerikanischen Immobilienmarkt zurück.
Nach unserer Meinung gehören die gesunkenen Bewertungskennzahlen des Finanzsektors möglicherweise zum sich selbstverstärkenden Zyklus dazu. Als die Kurse fielen, wurde das für die Gesundung dringend benötigte Kapital teuer. In den 30er Jahren führten die hohen Kapitalbeschaffungskosten der Banken zu rückläufigen Krediten. Die Kreditvergabe der Banken sank zu Gunsten risikoärmerer Posten in der Bilanz. Ein ähnliches Phänomen könnte auch in der jetzigen Situation auftauchen. In einer Rede vom 13. März erklärte der US-Finanzminister Hank Paulson, dass das Ministerium „die Finanzinstitute ermutigt habe, mit der Stärkung ihrer Bilanzen durch Kapitalbeschaffung fortzufahren, indem sie ihre Dividendenpolitik überdenken sollten.“
Betrachten wir die Sache von beiden Seiten etwas näher. Im folgenden Abschnitt werde ich für eine Dividendenkürzung plädieren und der Redakteur von Morningstar DividendInvestor, Josh Peters, wird den Gegenpart übernehmen.
Die Sicht des Bankanalysten: Dividendenkürzungen steigern langfristig den Unternehmenswert.
Dividendenkürzungen würden nicht nur den Finanzinstituten nutzen, die das nötig haben, sondern auch für viele andere Finanzwerte wäre dieser Schritt von Vorteil. Zusätzlich würden sofortige Kapitalbeschaffungsmaßnahmen helfen, das Vertrauen in das (Finanz-) System wieder herzustellen.
Obwohl einige Finanzinstitute anscheinend keine Kapitalerhöhung durchführen müssen, bin ich dennoch der Meinung, dass sogar für die am besten mit Kapital ausgestatteten Banken eine Dividendenkürzung besser wäre als die Beibehaltung der bisherigen Dividendenpolitik. Die gegenwärtig niedrige Bewertung der Banken bietet zahlreiche Gelegenheiten für Aktienrückkaufprogramme oder Unternehmenskäufe zu Schnäppchenpreisen. Der Grund liegt darin, dass viele in die Krise geratenen Banken, Hedge Fonds und Investmentbanken ihre Vermögenswerte verkaufen mussten, um Liquidität zu gewährleisten. Durch den Ausverkauf jener Wertpapiere sind einige jetzt zu Niedrigpreisen zu haben. Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer Dividendenzahlung oder einem Mehrwert in Form von Rückkaufen eigener unterbewerteter Aktien, den Kauf von günstigen Vermögenswerten, oder den Kauf von anderen Banken zu einem fairen Preis, würde ich immer den Mehrwert bevorzugen.
Selbst wenn die Ausgabe neuer Aktien die Kapitalbasis erhöht, ist die Verwässerung der bestehenden Aktionäre nur die „Second Best“-Lösung. Kapital mit der einen Hand einzunehmen, um es dann mit der anderen Hand wieder zu niedrigeren Aktienkursen auszugeben, ist nur für die abwickelnden Investmentbanken und für (ängstliche) Marktteilnehmer, die sich das knappe Kapital hoch entlohnen lassen, rentabel. Kapital kann hingegen in Form von Dividendenkürzung beschafft werden. Wachovia, die derzeit zu 75% ihres geschätzten „Fair Values“ gehandelt wird, zahlte 2007 seinen Aktionären 4,6 Mrd. US-Dollar. Hätte die Bank das Geld behalten, wäre die kürzliche Kapitalerhöhung in Höhe von 5,8 Mrd. US-Dollar fast unnötig gewesen. Dieser Schritt hätte ertragsorientierten Anlegern nicht unbedingt schaden müssen. Wenn die Aktionäre Geld benötigen, können sie ihre Aktien jederzeit am Markt verkaufen. Auch gibt es keinen Grund eine Aktie zu halten, wenn der Investor dem Management eine optimale Kapitalallokation nicht länger zutraut.
Auf der anderen Seite kann ich die Unternehmen verstehen, weshalb sie mit Dividendenkürzungen zögerlich umgehen, besonders wenn diese unumgänglich sind. Viele Privatanleger und institutionelle Investoren sind von regelmäßigen Ausschüttungen abhängig. Daher könnten Kürzungen von dieser Seite zum Verkauf der Aktien führen. Die Dividendenpolitik kann entscheidende Signale senden. Dividendenkürzungen könnten vom Markt ebenso als Gewinnrückgang missverstanden werden, anstatt als einen wesentlichen Schritt für die Mehrung des Aktionärsvermögens. Das wäre besonders schädlich, wenn die Gegenpartei oder der Kunde die Dividendenkürzung als Signal für eine finanzielle Schwäche interpretiert. Ich glaube jedoch, dass dieses Risiko für umfassende Dividendenkürzungen spricht. Gesündere Unternehmen haben von sich aus die Möglichkeit ihre Ausschüttungen zu kürzen. In Krisenzeiten würden sie so von ihrer starken Kapitalbasis profitieren. Außerdem würden ihre Handlungen und Erklärungen helfen, das Stigmata der Dividendenkürzung zu beseitigen, und damit schwächere Unternehmen und das System als ganzes unterstützen.
Auch wenn ich nicht glaube, dass viele Banken eine Dividendenkürzung durchführen werden, bin ich dennoch der Meinung, dass dies eine durchaus überlegenswerte Option für alle ist. Es wundert mich, dass trotz der nicht enden wollende Kreditklemme und der unterbewerteten Vermögenswerten, die Banken anscheinend an ihren historisch hohen Ausschüttungen festhalten und das auf Kosten der Aktionäre. Unserer Meinung nach würden dividendenorientierte Anleger kurzfristig Einbußen erleben, die jedoch langfristig mehr als ausgeglichen würden. Die Dividendenkürzung wäre sozusagen eine vorübergehende Unannehmlichkeit. In vielen Fällen sollten Anleger darüber froh sein, eine Dosis dieser scheinbar bitteren Medizin zu schlucken.
Josh Peters: Kapitalerhöhung als Alternative
Ich hege keinen Zweifel daran, dass wahrscheinlich noch eine Reihe von Banken ihre Dividenden in den nächsten ein oder zwei Jahren kürzen werden, um ihr Kapital zu schützen. Würden allerdings finanzstarke Institute ihre Dividendenquote beibehalten (bei gesunkenen Aktienkurs), hätten die Aktionäre eine unnötige Dividendenkürzung zu verkraften.
Ich bin auch der Meinung, dass das regulierte Bankensystem mehr Kapital braucht. Nicht-traditionelle Kreditgdeber, wie strukturierte Investmentvehikel, Collateralized Debt Obligations (CDOs), Collateralized Loan Obligations, Hedge Funds und andere (Paul McCulley von Pimco nennt sie Schattenbanken) verflüssigen ihre Mittel, so dass traditionelle Banken deren Überbleibsel kaufen werden. Unglücklicherweise ist jeder aufgebrauchte Dollar des Kapitals von regulären Banken - unabhängig, ob dieser für Totalverluste oder Dividendenzahlungen verbraucht werden - vielleicht 10 oder 12 US-Dollar an Krediten wert, die nicht vergeben werden können. Außerdem sorgen in der Regel Regulierungsbehörden dafür, dass ein angeschlagenes reguläres Finanzinstitut von einem stärkeren übernommen wird. Banken, die Nutznießer von einem entsprechenden Szenario sein wollen, benötigen eine hinreichende Kapitaldecke. Andererseits können notwendige Investitionen nicht durchgeführt werden und der Plan scheitert.
Dividendenkürzungen von gesunden Banken sind jedoch keine adäquate Lösung. Erstens würde ich das negative Signal, für das eine Dividendenkürzung steht, nicht unterschätzen. Das Management mag einwenden, dass Dividendekürzungen im langfristigen Interesse der Aktionäre sein mögen. Allerdings kaufen eine Menge Anleger Banken, weil sie von ihnen stetige und attraktive Ausschüttungen erwarten. In dem man auf dem Papier Wachstumsmöglichkeiten schafft, missachtet man die Interessen dieser Aktionäre. Wenn sich aber Aktionäre betrogen fühlen, werden sie wahrscheinlich ihre Aktien verkaufen und sich eine verlässlichere Einkommensquelle suchen. Das würde wiederum die Eigenkapitalkosten der Bank erhöhen. Der durch das einbehaltene Kapital entstanden Mehrwert würde so aufgebraucht werden.
Außerdem haben Investoren wenig Grund einem Management zu vertrauen, dass ihnen das Kürzen von Dividenden als deren langfristiges Interesse verkauft. Dividenden liefern mehr als nur Kapital. Kontrolle ist ebenso ein entscheidender Vorteil. Jedes Unternehmen, das 100% der Gewinne einbehält, verweigert den Investoren zwangsläufig die Kontrolle über die Unternehmensgewinne. Dividenden geben den Aktionären hingegen die Wahl: Sie können das Geld wieder in Aktien des Unternehmens investieren oder sie geben das Geld aus oder kaufen dafür Aktien von anderen vielversprechenden Unternehmen. Wenn diese Entscheidung den Aktionären der Banken vorenthalten wird, bedeutet das quasi deren Entmündigung.
Es braucht seine Zeit, wenn man durch Dividendenkürzungen die Kapitalbasis stärken will. Ich würde eine Kapitalerhöhung durch die Ausgabe neuer Aktien bevorzugen, wenn die Banken große und profitable Investmentmöglichkeiten haben. Das wäre für alle Seiten von Vorteil. Erstens bekämen die Banken sofort einen großen Batzen Eigenkapital anstatt kleinerer Beträge durch die Dividendenkürzung. Zweitens hätte der Markt die Möglichkeit eine Abstimmung zu den Plänen des Managements abzugeben. Ineffektiven Banken und/oder Käufern kann das Kapital verweigert werden, dass sie sonst in den Sand setzen würden. Drittens könnten die neuen und die alten Aktionäre am langfristigen Gewinnwachstum der Bank teilhaben, wenn das Management das neue Kapital vernünftig verwendet.
Das letzte, was die Investoren von Bankaktien jetzt brauchen, sind Dividendenkürzungen. Einige werden unumgänglich sein. Diese Aktien sollten von Investoren, die von Ausschüttungen abhängig sind, gemieden werden. Aber diejenigen Banken, die ihre Dividendenzahlungen während dieser Krise beibehalten können und das auch tun, werden danach mit niedrigeren Kapitalkosten und höheren Bewertungen belohnt.
Jim Sinegal ist Aktienanalyst bei Morningstar in den USA
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