Wer hält den russischen Stahlkocher Mechel?

Premierminister Putin verschreckt internationale Investoren. Anleger preisen schwache russische Corporate Governance ein.

Werner Hedrich 06.08.2008
Facebook Twitter LinkedIn
Russische Aktien verloren im Juli 16% und damit stärker als andere Schwellenländerbörsen. In der Kategorie Aktien Osteuropa kommen russische Titel im Schnitt auf ein Gewicht von 60 bis 70%. Premierminister Putin kritisierte die Preispolitik des Stahlkochers und Kohle- und Eisenerzproduzenten Mechel. Der Konzern belaste russische Kunden willkürlich stark beim Verkauf von Kokskohle und schädige den Staat durch den Gebrauch von Steuerschlupflöchern, so der Präsident der Russischen Föderation a.D. Internationale Investoren erinnerten sich prompt an die Verstaatlichung des Ölriesen Yukos, dessen ehemaliger Großaktionär und Vorstand Chodorkowski in Sibirien im

Gefängnis sitzt. Die in New York als ADR gehandelte Mechel crashte innerhalb eines Handelstages um fast 40%. Damit fiel die Aktie von über 55 US-Dollar auf nunmehr unter 19 US-Dollar.

Dank der Energie- und Rohstoffkonzerne Gazprom, Lukoil und Norilsk Nickel konnten russische Aktien in den vergangenen Monaten im Vergleich zu anderen Emerging Markets Boden gut machen. Während China/ Hong Kong und Indien stark korrigierten, hielt sich die Moskauer Börse zumindest bis Putins Weckruf relativ gut. Zudem standen jüngst Öltitel weltweit auf den Verkaufslisten, was den Abwärtsdruck auf russische Aktien verstärkte.

Gleichzeitig stehen die Unstimmigkeiten zwischen BP und der russischen TNK fast täglich auf der ersten Seite internationaler Wirtschaftszeitungen. Die russischen Teilhaber Alfa, Access und Renova und die britische BP streiten erbittert um die Vormacht im Joint Venture TNK-BP. Zusammen mit dem Bestreben Russlands, die Schlüsselindustrien wie Öl- und Gas- zu verstaatlichen, fördern die jüngsten Nachrichten aus Russland nicht das Vertrauen von internationalen Investoren.

Russland hatte im Juni ein Gewicht von 10,2% im MSCI Emerging Markets. Ende Juli lag es noch bei 9,1%. Das hört sich nicht spektakulär an, zeigt aber, dass Russland sich kurzfristig schwächer entwickelt hat als andere Schwellenländerbörsen.

Morningstar sammelt weltweit Fondsportfolios. Wir nutzen die Portfolioholdings (full holdings: alle in einem Fonds sich befindlichen Positionen) um die Morningstar Style Box zu berechnen. Ziel ist es, einen Fonds danach einzuordnen, welche Investments er tätigt und nicht danach, was drauf steht.

Wir haben in unserer globalen Datenbank eine Abfrage nach Mechel gestartet. Wer hält Mechel? Wie beurteilen Asset Manager die Corporate Governance und die Rechtsstaatlichkeit in Russland?

JPM Asset Management

Hauptaktionär von Mechel mit 70% und CEO ist Igor v. Zyuzin. Die größten Positionen unter internationalen Fonds halten der JPM Eastern Europe und der JPM Emerging Markets mit 2,8 und 2,3 Millionen Aktien (Ende Mai 2008). Insgesamt hielten JPM Morgan Asset Management (Lux) und der US Vermögensverwalter JP Morgan Chase & Co Ende März 2008 rund 13 Millionen Aktien, was einem Anteil von fast 10% am Börsenwert von Mechel entspricht.

Mechel sind im JPM Eastern Europe mit einem Gewicht von 5,1% die viertgrößte Position (MSCI Emerging Europe: 1,4%). Nach Aussagen von JPM Asset Management werden Engagements langfristig eingegangen, im Durchschnitt verbleiben Positionen zwischen zwei und vier Jahren im Fonds. Verkauft wird, sobald sich die fundamentale Einschätzung über ein Unternehmen ändert. Das Fondsmanagement des JPM Eastern Europe sieht die Anschuldigungen Putins als nicht komplett zutreffend. Die niedrigeren Exportpreise resultieren aus Altverträgen von Yakutugol, so JPM Asset Management. Mechel hat im Januar 2005 einen 25% Anteil an Yakutugol übernommen. Auch die von Putin kritisierte Steuerpraxis stehe in diesem Zusammenhang.

Der Fonds wird indexunabhängig von zwei Fondsmanagern verwaltet. Das Engagement in Mechel verhalf dem Fonds 2007 und in der ersten Jahreshälfte 2008 zu einer guten Performance. Wie oben beschrieben halten JPM Asset Management einen bedeutenden Teil der frei gehandelten Aktien, was ein gewisses Handelsrisiko bedeutet (Finanzsprech: liquidation risk).

Der Fonds fährt ein starkes Untergewicht von Energietitel (15% vs 48% im MSCI Emerging Europe). Auf Länderebene investiert der Fonds zu 67% in Russland, zweitgrößtes Land ist die Türkei mit 10%. Die EU-nahen Länder Ungarn und Tschechische Republik sind untergewichtet. Mit kleinen Positionen ist der Fonds außerhalb der Benchmark in Kasachstan, Rumänien oder der Ukraine engagiert. Der Fonds konnte über die letzten 3 Jahre seine Benchmark schlagen. Vor allem in den letzten Monaten zeigte der Fonds defensive Qualitäten und fiel dank Untergewichtung im Energiesektor wesentlich schwächer als der Markt.

DWS Invest BRIC plus und DWS Russia

Per Ende März 2008 hielt die DWS in den Fonds 0,6 und 0,4 Millionen Aktien. Der für russische Aktien zuständige Fondsmanager Odeniyaz Dzhaparov bestätigte, dass man in Mechel engagiert sei. Dzhaparov sieht die Warnung an die Adresse Mechels als ökonomische. Der Unterschied zu Yukos liege darin, dass Chodorkowski politische Ambitionen zeigte. Mechels Hauptaktionär Igor v. Zyuzin dagegen gehöre finanziell zu den größten Unterstützern von Putins Regierungspartei. Premierminister Putin Aussagen zielen auf höhere Steuereinnahmen. Zahlreiche russische Rohstoffkonzerne verkaufen einen Teil ihrer Produktion über in der Schweiz ansässige Handelsgesellschaften, was die Gewinne auf Konzernebene in Russland und damit die Steuern verringere. Dzhaparov sieht mittelfristig sogar Vorteile für Minderheitenaktionäre, weil durch die sogenannten transfer pricing schemes die wahre Ertragskraft so mancher russischen Gesellschaften verschleiert würde. Mechel zeige sich gegenüber der Regierung kooperativ. Dzhaparov rechnet mit einer Strafzahlung und Einigung. Eine Enteignung à la Yukos sieht er als unwahrscheinlich an.

Odeniyaz Dzhaparov managt den 1,5 Mrd. Euro schweren DWS Russia . Die Benchmark des Fonds ist der MSCI Russia 10/40 und ist mit einer Verwaltungsvergütung von 2% zuzüglich erfolgsabhängiger Vergütung recht teuer. Der Fonds gewichtet Energieaktien mit 39%, Telekommunikation mit 15% und Rohstoffen 14%.

Baring Eastern Europe

Der Baring Eastern Europe hält 1,6 Millionen Aktien, was auf Fondsebene 2,2% der Aktien ausmacht (Ende Mai 2008). Nach Aussagen von Baring Asset Management wurden im Rahmen der 'High Conviction'-Strategy die Bestände von Mechel zügig aufgelöst. 'High Conviction' bedeutet, dass Aktien stark in einem Portfolio gewichtet werden, wenn das Management von starker Überzeugung (High Conviction) ist. Dabei spielen Indexgewichte in einer Benchmark eine untergeordnete Rolle.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

Facebook Twitter LinkedIn

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

BezeichnungKursVeränderung (%)Morningstar Rating
Barings Eastern Europe A EUR Inc39,81 EUR-0,91

Über den Autor

Werner Hedrich