Das ungleiche Quartett

Die BRICs in der Finanzkrise.

Natalia Wolfstetter 05.03.2009
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Brasilien, Russland, Indien und China als wirtschaftliche Wegweiser in den Emerging Markets: Die BRIC-Idee, geboren in einer Research-Abteilung der Investmentbank Goldman Sachs, wurde schnell zum Aufhänger für viele Investmentprodukte, nicht zuletzt auch die BRIC-Investmentfonds. Die BRIC-Verfechter konterten Kritik an mangelnder Diversifizierung und Marketinglastigkeit mit dem Argument, die vier wirtschaftlich führenden Nationen von Morgen ausgesucht zu haben. Wie weit ist es damit her? Ob alle BRICs in Zukunft eine herausragende Rolle spielen werden – darüber gehen die Meinungen auseinander. Skepsis herrscht insbesondere im Hinblick auf Russland, und das nicht erst seit Ausbruch der Finanzkrise. Ein kurzer Überblick:

Russland

Die rus

sische Börse führte 2008 – einem Jahr, in dem die Verluste wahrlich nicht zu knapp ausfielen - die Verliererliste mit einem Minus von über 70% klar an. Im gleichen Zeitraum verlor der Rubel fast die Hälfte seines Werts gegenüber dem US-Dollar, trotz der Stützungsmaßnahmen der russischen Zentralbank, die dabei wiederum mehr als die Hälfte ihrer Währungsreserven einbüßte. Russlands Präsident äußerte noch vor einem Jahr den Anspruch, der Rubel möge den Dollar als Reservewährung ersetzen. Davon kann mittlerweile keine Rede mehr sein. Zudem bleibt die Inflation trotz schlechter Nachrichten von wirtschaftlicher Seite hartnäckig bei über 10%. Große russische Unternehmen haben sich in Boomzeiten im Ausland stark verschuldet und stehen nun vor Zahlungsschwierigkeiten.

Als wesentliche Ursache dieser Probleme, mit denen Russland in den Emerging Markets zwar sicherlich nicht alleine dasteht, die aber besonders gravierend ausfallen, gilt die einseitige Ausrichtung des Landes auf Öl und Gas. Dies ging so lange gut, wie die Rohstoffpreise einen Höhenflug nach dem anderen erlebten und für steigende Einkommen aus dem Export sorgten. Nach dem Rückgang des Ölpreises muss der russische Stabilisierungsfonds, in den ein Teil der Öleinnahmen floss, angezapft werden, um den russischen Staatshaushalt auszugleichen. Dieser wurde für schlechte Zeiten eingerichtet. Darüber hinaus hat es das Land aber augenscheinlich versäumt, seine Wirtschaft breit genug aufzustellen.

Brasilien

Auch Brasilien blieb 2008 nicht vom Kursverfall an den Aktien- und Devisenmärkten verschont. Die wirtschaftliche Aktivität ist deutlich rückläufig. Das Land ist jedoch bei den Exporten breiter aufgestellt: Es führt natürlich ebenfalls eine Reihe von Rohstoffen aus, daneben aber auch landwirtschaftliche Produkte und Industriegüter. Die Währungsabwertung sollte damit der Wettbewerbsfähigkeit auf die Sprünge helfen. Die Inflation liegt zwischen 5-6%, so dass Spielraum für eine Lockerung der Geldpolitik besteht. Ein Großteil der Staatsschulden notiert in Brasilianischen Real. Eine durch die Währungsabwertung bedingte Schuldenkrise wie in der Vergangenheit, als der Staat in Dollar verschuldet war, ist damit nicht zu erwarten.

Indien

Bis vor kurzem war Indien, zusammen mit China, eine der am schnellsten wachsenden großen Volkswirtschaften. Das neue (Selbst)bild von „Shining India“ hat allerdings in den letzten 12 Monaten einige Kratzer bekommen, angefangen von den Terroranschlägen in Mumbai über den milliardenschweren Bilanzbetrug beim IT-Vorzeigekonzern Satyam bis hin zum Wachstumsrückgang im Zuge der Kreditkrise. Das Land ist zwar weniger abhängig von Exporten als viele seiner asiatischen Nachbarn, doch wurde ein Großteil der Investitionen auch hier durch ausländische Kredite finanziert. Die hohe öffentliche Verschuldung begrenzt die Möglichkeiten für eine Stimulierung der Wirtschaft. Zwar wird weiterhin ein positives Wachstum erwartet, doch dürfte es lange nicht an die 9%-Marke der letzten Jahre heranreichen. Dies wäre aber nötig, um die Armut zu reduzieren, immer noch eines der drängendsten Probleme für einen großen Teil der Bevölkerung.
In Indien ist ein dynamischer Dienstleistungssektor entstanden. Dafür liefert die IT-Branche das beste Beispiel. Auch der Industriesektor kann sich sehen lassen. Hemmschuhe sind allerdings das unzureichende Ausbildungssystem und die schlechte Infrastruktur.

China

Viele Hoffnungen hatten sich angesichts der Kreditkrise auf China als eine der verbleibenden Inseln des Wachstums gerichtet. Nun wird immer deutlicher, dass auch die chinesische Wirtschaft nicht unbeschadet davon kommt. Nach Jahren, in denen die Wachstumsrate bei über 10% jährlich lag, trat die Konjunktur im letzten Quartal 2008 auf der Stelle. Die Exporte sind rückläufig, viele Fabriken haben ihre Arbeit eingestellt, was auch die zahlreichen Wanderarbeiter schmerzhaft zu spüren bekommen. Auch China benötigt hohe Wachstumsraten, um die Arbeitslosigkeit begrenzen zu können. Die Regierung steuert mit Investitionsprogrammen für die Infrastruktur und einer Ausweitung der Kredite gegen. Tatsächlich stieg gegen den weltweiten Trend die Kreditvergabe, was auch dadurch ermöglicht wird, dass viele Banken dem Staat gehören. Zudem sind Haushalte und Unternehmen generell wenig verschuldet, was Spielraum für mehr Konsum und eine stärkere Rolle der Binnenwirtschaft bei der Krisenbewältigung schafft. Neben dem Infrastrukturausbau wird in Zukunft viel davon abhängen, wie schnell China in der Wertschöpfungskette aufsteigen kann. Viele chinesische Produkte haben einen niedrigen Technologiegehalt und/oder Qualitätsmängel bzw. leiden unter der Wahrnehmung schlechter Qualität. Dies erstreckt sich teilweise auch auf hochwertige Produkte und wird oft mit dem fehlenden Schutz geistigen Eigentums in Verbindung gebracht.

Fazit

Die BRICs gehören zwar zu den größeren Emerging Markets, doch ob Größe alleine den Erfolg ausmacht, sei dahingestellt. Es ist auch nicht ganz schlüssig, warum Mexiko und Südkorea hier außen vor bleiben, dafür aber unter den BRIC-Nachfolgern, den so genannten Next-11 (ebenfalls eine Idee der Goldman Sachs Volkswirte), auftauchen. Die Nachteile einer Investmentstrategie, die auf dem BRIC-Konzept beruht, sind dagegen im vergangenen Jahr sehr deutlich geworden. Breit aufgestellte Emerging-Markets-Fonds verloren weniger und wiesen die geringeren Schwankungen auf.

Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.

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Über den Autor

Natalia Wolfstetter  ist Director Fund Analysis bei Morningstar