Sie kennen die Angebote sicherlich auch. Goldfarbene Prospekte, die in der Golfregion märchenhafte Renditen wie aus 1001er Nacht versprechen. Doch können diese schönen Geschichten wirklich wahr sein? Ich werde bei derartigen Offerten immer misstrauisch. Denn erstens ist eine Anlage dort alles andere als risikolos. Und zweitens stellt sich die Frage, ob sie überhaupt sinnvoll sein kann. Grundsätzlich gilt: Investoren erzielen die höchsten Renditen, wenn vielfältigen, lukrativen Investmentmöglichkeiten knappes Kapital gegenüber steht. Die Golfregion aber ist reich. Banken, Staatsfonds und Unternehmen – allen steht reichlich Kapital zur
Verfügung. Wo aber Kapital im Überfluss vorhanden ist, das zeigt die Erfahrung, steigt die Gefahr von Fehlallokationen, die Produktivität der Geldanlagen sinkt. Wie sinnvoll ist es da, sich als Ausländer ebenfalls noch mit Eigenkapital an einer dortigen Firma zu beteiligen?
Nichts unterstreicht die Relevanz dieser Frage deutlicher als das Verhalten der Staatsfonds der Golfregion. Sie suchen vor allem nach Beteiligungen in Europa oder den Vereinigten Staaten, sie kaufen sich bei Autobauern oder Banken ein. Kann es sein, dass sie dort das Verhältnis zwischen Chance und Risiko als günstiger einschätzen? Denn Risiken finden sich in der Golfregion genug. Natürlich lagern dort rund 60 Prozent der weltweiten Ölreserven. Und selbstverständlich ist dies ein großer Schatz, der für stetige Kapitalzuflüsse sorgt. Aber: Diese Volkswirtschaften sind noch immer hochgradig vom Öl abhängig. Als im vergangenen Jahr die Notierung für das schwarze Gold um rund 75 Prozent einbrach, traf dies die erdölexportierenden Staaten mitten ins Herz. Sehr schnell, für viele wohl schneller als erwartet, wurde in die Staatshaushalte ein tiefes Loch gerissen. Katar, Bahrain oder Saudi-Arabien weisen in diesem Jahr Fiskaldefizite auf. Der Grund: Dort werden keine Steuern erhoben. Allein die Einnahmen aus dem Ölgeschäft spülen Geld in die Staatskassen.
Diese Haushaltsdefizite haben sofort Auswirkungen auf sämtliche staatliche Projekte, die den Ausbau der Infrastruktur betreffen. Die ersten Investitionsvorhaben stehen bereits auf dem Prüfstand. Entsprechend geht das Wirtschaftswachstum deutlich zurück. In diesem Jahr werden es wohl nur rund drei bis vier Prozent sein – nach x bis y im Jahr 2008. Das ist, zugegeben, immer noch viel. Wer sich aber zum Beispiel in Fernost umsieht, wird leicht eine Reihe wachstumsstärkerer Ökonomien finden. Ein Investment in der Golfregion ist deshalb zuallererst eine Wette auf einen steigenden Ölpreis. Wer darauf setzen möchte, findet aber an den Kapitalmärkten effizientere Möglichkeiten, direkt oder indirekt in Öl zu investieren, ohne zusätzliche Risiken in Kauf nehmen zu müssen.
Denn diese Risiken sind unbestritten vorhanden. Die Spannungen in der gesamten Region sind immer noch hoch, geopolitische Gefahren nicht zu unterschätzen. Außerdem – und das ist für Aktienanleger besonders wichtig – gibt es überhaupt nur 250 bis 300 investierbare Titel. Werte also, die eine ausreichende Marktkapitalisierung aufweisen. Die starken Kursausschläge dieser Märkte in der Vergangenheit sind meiner Meinung nach die Folge dieser geringen Liquidität. Größere Orders können extreme Sprünge auslösen – nach oben wie nach unten. Der gesamte Markt ist deshalb eher eine Spielwiese für Anleger, die kurzfristig auf hohe Renditen wetten, mit allen Chancen, aber eben auch mit allen Risiken. Für einen langfristig ausgerichteten Anleger ist dies nicht der richtige Platz.
Für all diese Risiken werden Anleger auch nicht ausreichend entschädigt. Der Aktienmarkt ist aktuell mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von elf für einen Schwellenmarkt mit hoher Volatilität ambitioniert bewertet. Märchenhafte Renditen? Vielleicht kurzfristig. Aber eben immer nur im Gleichlauf mit extremen Risiken. Ich denke darum, Anleger sollten ihr Geld lieber dort investieren, wo Kapital ein knappes Gut ist und wo sie ausreichend für die Risiken entschädigt werden. Wer langfristig investieren will, sollte sich in anderen Emerging Markets umsehen. Denn bei der Kapitalanlage geht es nicht um Märchen, sondern um harte Fakten.
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