Politikern, IWF, EU und Banken sitzt noch die Angst der Finanzkrise im Nacken. Deshalb werden Anleihebesitzer griechischer Schuldtitel wahrscheinlich nicht zur Kasse gebeten.
Die Forderung ist einleuchtend, legitim und gerecht, Anleihebesitzer an den Kosten der griechischen Tragödie zu beteiligen. Doch wird die Politik diesen Schritt scheuen, weil man noch die Wochen und Monate nach dem Lehman Brothers Kollaps in Erinnerung hat. Man fürchtet eine erneute Vertrauenskrise an den Interbanken- und Kapitalmärkten. Lehman war der entscheidende Banken-Dominostein, der fiel. Eine Umschuldung der griechischen Staatspapiere und damit einhergehende Verluste für die Gläubiger würden die Bondmärkte in Portugal, Spanien und Italien einbrechen lassen. Diesmal wird die Politik zurückschrecken, den ersten Stein im Staatsschulden-Domino in der Europäischen Union anzuschubsen. Der Ausgang ist zu ungewiss und riskant. Die Folgekosten für die Allgemeinheit nicht prognostizierbar. Wahrscheinlich würde der ehemalige US Finanzminister Paulson heute Lehman Brothers nicht mehr in die Insolvenz entlassen.
Weltweit haben sich Geschäftsbanken rekapitalisiert oder sind noch in Staatshand. Sie würden die Hauptträger der Verluste einer Umschuldung sein. Von der Intensivstation gekommen, könnte man die Patienten gerade wieder zurückschieben. Zumal Banken in den nächsten Quartalen die Abschreibungen im Geschäftsfeld Gewerbeimmobilien zu verdauen haben werden . Sie sind eine Folge der Finanzkrise, die nun zeitversetzt die realen Immobilienmärkte trifft. Das Risiko, die europäischen Bankenbilanzen einem erneuten Stress Test zu unterziehen, ist einfach zu groß. Wer wäre nach der größten globalen Bankenkrise nochmals bereit, Eigenkapital für die Banken zu zeichnen? Neben den Banken halten Versicherungen und Fonds griechische, portugiesische, spanische und italienische Anleihen in den Portfolios. Die Policen und Fondsanteile gehören Versicherten und Sparern, also dem Steuerzahler, der groteskerweise jetzt bei den anstehenden KfW Krediten im Risiko steht.
Dennoch sollten Investoren dem Bail out misstrauen. In drei, vier Jahren, wenn die Regulierung der Banken fortgeschritten, die Eigenkapitalbasis gestärkt ist, könnte die Politik die Umschuldung einläuten. Alles andere wäre eine Farce. Wer ins Risiko geht, muss auch Verluste einstecken können. Das gilt für Staaten, Banken, Versicherungen, Fonds und Kleinanleger.
Die zweite Option ist der Austritt Griechenlands aus der Europäischen Währungsunion. Diejenigen, die den Euro-Showdown Griechenlands mit einer streng ökonomischen Argumentation untermauern, ignorieren eines: Der Euro ist der Ausdruck eines europäisch-politischen Willens und folgt nur bedingt einer ökonomischen Doktrin. Deutschland sollte sich auch daran erinnern, dass der Euro die Bedenken unserer Nachbarn vor einem vereinigten Deutschland abmilderte. Weder Kohl nach Mitterand haben diesen Zusammenhang zwischen deutscher Vereinigung und Euro lautstark dementiert.
Eine staatspolitische Tragödie ist allerdings, dass das Land von Aristoteles und Platon nunmehr fremd regiert wird. Die stolzen Griechen haben die politische Souveränität an die Europäische Union und den von Amerika dominierten IWF abgegeben. Zumindest solange, bis eine Umschuldung auf der Agenda steht. Neben innenpolitischen Reformen können nur ein teilweiser Gläubigerverzicht, niedrigere Zinszahlungen und eine zeitliche Streckung der Tilgungen die Griechen die Handlungshoheit über Hellas wiedererlangen lassen.
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