Mit den Folgen der Explosion der von BP betriebenen Ölbohrinsel "Deepwater Horizon", die vor einem Jahr eine Ölpest im Golf von Mexiko auslöste, kämpft nicht nur die Region, sondern auch die Ölbranche bis heute. Sie führte auch zur Auflösung der Aufsichtsbehörde Minerals Management Service, die im Sinne einer besseren Vermeidung von Interessenkonflikten durch zwei Behörden ersetzt wurde. Diese sind das Bureau of Ocean Energy Management, Enforcement and Regulation (BOEMRE), das die Einhaltung der Vorschriften überwacht, und das Office of Natural Resources Revenue, dass mit dem Eintreiben der Einnahmen betraut ist.
Wir gehen davon aus, dass BP (BP.) weiterhin mit Reputations- und operativen Risiken kämpfen wird, während Anadarko (APC), Transocean (RIG), Halliburton (HAL) und Cameron (CAM) weiterhin vor ungelösten rechtlichen Problemen stehen. Zahlreiche Fehler von unterschiedlicher Seite waren für das Öldesaster verantwortlich. Wir erwarten, dass die Standards für Tiefseebohrungen als Folge der Ölpest verschärft werden, was den Ölbohr- und Serviceunternehmen zugutekommen sollte, da dadurch mehr Dienstleistungen und eine bessere Ausrüstung weltweit zum Standard werden und die Tagessätze für moderne Bohrinseln mit den neuesten Sicherheitsvorkehrungen steigen sollten. Die Betreiber dürften angesichts der strengeren Vorschriften und längeren Entwicklungszeiten vor einer Kostensteigerung von rund 20% stehen. Den Trend zu Tiefseebohrungen sehen wir aber weiterhin als intakt.
Mangelnde Vorbereitung führte zur Katastrophe
Die Ölbranche war auf die Bekämpfung des Öllecks nicht vorbereitet. In diesem Sinne stellt die Ölkatastrophe vor einem Jahr auch einen Weckruf für die Branche dar. ExxonMobil (XOM) und andere große Ölkonzerne haben zwar behauptet, dass sie die Unglücks-Bohrinsel nie so konstruiert hätten wie BP. Die Explosion der Ölplattform hat jedoch die gesamte Branche auf dem falschen Fuß erwischt. Zahlreiche Notfallpläne stellten sich als allgemein gehaltene Kopien von ein und denselben veralteten Notfallmaßnahmen heraus, die für Tiefseebohrungen vollkommen unzureichend sind. Aufsichtsbehörden erhielten mehr Befugnisse, mit denen sie die Bohrstandards im Golf von Mexiko verschärft haben. Die Branche arbeitet zudem an einer Verbesserung ihrer Notfallsysteme. Zu diesem Zweck haben mehrere Branchengrößen die Marine Well Containment Company gegründet.
Zu den neuen Vorschriften, die durch die Aufsichtsbehörde BOEMRE erlassen wurden, gehören eine unabhängige Zertifizierung der Sicherheitsventile, bessere Notfallpläne bei austretendem Öl und bessere Unterwasser-Sicherheitssysteme. In der Branche gibt es Klagen über die schleppende Vergabe von Lizenzen, doch dürfte sie der generellen Richtung bei der Regulierung insgeheim zustimmen.
BP ein Jahr später
Die Ölkatastrophe hat schwerwiegende Folgen für BP. Nach mehreren erfolglosen Versuchen gelang es dem Unternehmen schließlich am 15. Juli 2010, den Ölfluss zu stoppen. Die Quelle gilt seit dem 19. September 2010 als versiegelt. BP hat Rückstellungen im Volumen von 41 Mrd. US-Dollar zur Begleichung der Schäden aus der Ölkatastrophe gebildet. BP hat bereits Vermögenswerte in Höhe von rund 24 Mrd. US-Dollar verkauft. Diese sind Teil eines Planes, sich von Vermögen im Wert von rund 30 Mrd. US-Dollar zu trennen, um die Schäden begleichen zu können. Wir gehen davon aus, dass BP die finanziellen Folgen der Katastrophe schultern kann. So wurden auch die Dividendenzahlungen wieder aufgenommen. Bisher laufen die Verkäufe nach Plan, wobei die Auswirkungen auf das Wachstumspotential bei den Upstream-Aktivitäten des Unternehmens begrenzt bleiben. Uns gefällt, wie es BP gelungen ist, für die Verkaufspläne Upstream-Projekte zu identifizieren, die nicht zum Kerngeschäft gehören und lediglich rund 9% der Gesamtproduktion darstellen. Allerdings möchten wir noch abwarten, ob BP hier Kurs hält. Nach dem Wasserschutzgesetz (Clean Water Act) könnten auf das Unternehmen zudem zwischen 5-18 Mrd. US-Dollar an Strafzahlungen zukommen. In den Rückstellungen sind diese mit einem Wert am unteren Ende der Bandbreite berücksichtigt. Weitere 13 Mrd. US-Dollar könnten daher fällig werden, falls die maximal mögliche zivilrechtliche Strafe gegen das Unternehmen verhängt wird.
BPs Zukunft wird unserer Ansicht nach wesentlich von der Fähigkeit des Unternehmens abhängen, seine Reputation und die Beziehungen zu den Aufsichtsbehörden weltweit zu managen. Angesichts der zahlreichen Fehler im vergangenen Jahr (sowohl im Bezug auf die Reputation als auch das operative Geschäft) – wozu auch die stockenden Partnerschaft mit Rosneft gehört – könnte die langfristige Verhandlungsposition des Unternehmens mit nationalen Ölgesellschaften geschwächt sein. Wir betrachten die Allianz mit Rosneft als einen großen Fehler von CEO Bob Dudley. Ermutigend sind jedoch die neuen Projekte in Indonesien, China und Aserbaidschan sowie in Australien und der Nordsee. Insbesondere das Joint Venture mit Indiens Reliance Industries sollte dabei im Auge behalten werden. Dabei geht es um einen 30%-Anteil an 23 Öl- und Gasfeldern. In den USA dürften die Aktivitäten des Konzerns im Golf von Mexiko unter genauer Beobachtung bleiben. Die Entscheidung, bestimmte Erträge aus der Öl- und Gasförderung in diversen Ölfeldern im Golf von Mexiko als Sicherheiten für den Entschädigungsfonds zu hinterlegen, könnte die Unterstützung für die Entwicklung dieser Felder erhöhen. Während dies darauf hindeutet, dass BP Fortschritte dabei macht, seine Reputation in den Augen der Aufsichtsbehörden wiederherzustellen, dürfte es mehr Kreativität erfordern, größere Wachstumsprojekte anzuschieben, die es dem Unternehmen in den nächsten Jahren ermöglichen, wieder ein positives Produktionswachstum zu erzielen.
Jason Stevens ist Associate Director of Equity Research bei Morningstar. Die Morningstar Aktienanalysten Stephen Ellis, Allen Good, Mark Hanson und Cathy Milostan haben zu diesem Researchbericht, den wir in Auszügen veröffentlichen, beigetragen. Er erschien ursprünglich am 20. April 2011.
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