Die Märkte irren sich, so Silvio Berlusconi zum starken Anstieg der Renditen für italienische Staatsanleihen und den um sich greifenden Zweifeln am Markt, was die Tragfähigkeit der Staatsschulden des Landes angeht.
Dennoch ist das Vertrauen in die Fiskalpolitik seiner Regierung stark geschwunden. Die Renditen für italienische Staatsanleihen liegen rund vier Prozentpunkte über dem Niveau für deutsche Bundesanleihen. ‚Der Markt sagt, dass die Wahrscheinlichkeit für einen schlechten Ausgang dieser Angelegenheit hoch ist‘, bestätigt Jim Leonard, Bankenanalyst bei Morningstar. Der Anstieg der Risikoaufschläge für italienische Staatspapiere hat die Aktienanalysten bei Morningstar dazu veranlasst, die Wahrscheinlichkeit einer Schuldenumstrukturierung Italiens auf 50% heraufzusetzen, da sie davon ausgehen, dass dieser Trend anhält.
Wovor fürchten sich die Märkte?
Italien hat durchaus Möglichkeiten, seine Budgetprobleme besser in Griff zu bekommen. Leonard weist auch darauf hin, dass die Situation in Italien längst nicht so ernst ist wie in Griechenland. Im Zuge steigender Kreditkosten wird es dem Land aber zunehmend schwerer fallen, seine Budgetlücken durch eine Kürzung der Ausgaben zu schließen – als würde man versuchen, ein Sieb mit Sand zu füllen.
Daher ist es entscheidend für das Land, das Vertrauen in seine Schuldentragfähigkeit wieder herzustellen. Das derzeitige Marktumfeld ist dafür allerdings alles andere als ideal. Die globalen Aktienmärkte legten in ihrem Abwärtstrend nur kurz eine Pause ein, als die Einigung im US-Schuldenstreit in letzter Minute gelang. Seither sind sie vor dem Hintergrund enttäuschender Makrodaten in den USA und Befürchten vor einer Rezession in den entwickelten Märkten weiter gefallen.
‘Die Stimmung ist generell sehr negativ und fast panisch, was die Toleranz von Investoren gegenüber einer unentschiedenen oder ineffizienten Fiskalpolitik deutlich schmälert‘, so Jim Leonard. Dies erhöht den Druck auf die Peripheriestaaten.
Panik: Sind wir schon soweit?
Steigende Risikoaufschläge, fallende Märkte und die Anlegerflucht in sichere Häfen sind ein Anzeichen dafür, dass die Märkte am Rande einer Panik sind. Als Schwelle dafür wird oft genannt, wenn die Renditen von italienischen oder spanischen Staatsanleihen 7% erreichen. Allerdings ist dies eine willkürliche Zahl. Dennoch kann man sie nicht ignorieren, wenn Investoren darauf handeln.
Wenig Trost bietet es da, dass die portugiesischen, irischen und griechischen Renditen deutlich über 7% liegen. Das sind letztendlich ‚bekannte‘ Probleme. Die schiere Größe der italienischen Schulden, die fünf Mal so hoch sind wie die griechischen, führt dazu, dass eine italienische Restrukturierung ungleich größere Auswirkungen hätte.
Deshalb sollte man genau beobachten, wie die italienischen Schulden refinanziert werden. Italien hatte vor kurzem keinen Erfolg damit, langfristige Anleihen zu emittieren, was darauf hindeutet, dass die Zweifel an der langfristigen Zahlungsfähigkeit Italiens wachsen.
Die Rolle der EZB
Ein Hoffnungsschimmer für Italien und andere kriselnde Staatsschuldner in der Eurozone sind in den Augen Leonards die Änderungen am Europäischen Stabilitätsmechanismus (EFSF), die das Potential haben, ‚den Markt zu revitalisieren‘.
In diesem Kontext hängt viel von der EZB und dem EFSF als Käufer von Peripherieanleihen ab. Die EZB ist einer der wenigen Marktteilnehmer, die das Anlegervertrauen stärken können, indem sie Risiken auf sich nimmt, vor denen andere Anleihenkäufer zurückschrecken. Das entspricht zwar nicht ihrem ursprünglichen Mandat, doch die Rolle der EZB hat sich im Zuge der Krise gewandelt.
Schlimmstenfalls
Es gibt viele mögliche Szenarien. Die Eurozone könnte vor einem weiteren Restrukturierungsfall stehen, auch wenn die jüngsten Vereinbarungen zu den griechischen Schulden als einmalige Abmachung gedacht waren. Die italienischen Banken müssten hohe Abschreibungen vornehmen, die sie an den Rand der Zahlungsunfähigkeit bringen könnten. So halten Banken wie UniCredit (UCG) und Intesa Sanpaolo (ISP) ein Drittel ihrer Bilanzen in italienischen Anleihen. ‚Wenn nicht insolvent, so wären die Kapitalquoten doch sehr gering‘, sagt Leonard. Dies würde eine Kapitalerhöhung erfordern, die mit einer massiven Verwässerung für die bestehenden Aktionäre einhergehen würde. Auch Banken außerhalb Italiens und die Tochtergesellschaften italienischer Banken, die in Osteuropa tätig sind, halten hohe Bestände an italienischen Staatsschulden.
Die kürzlich erfolgten EU-Stresstest haben gezeigt, dass neben spanischen, italienischen und griechischen Banken auch eine Reihe von deutschen und französischen Banken, darunter Dexia (DEXB), Commerzbank (CBK) und BNP Paribas (BNP) ein starkes Engagement bei problematischen Schuldeninstrumenten aufweisen. Während diese bei Banken in den Peripherieländern bis zu 250% ihres Kernkapitals ausmachen, sind es bei deutschen oder französischen Instituten jedoch unter 100%.
Das wahrscheinlichste Szenario
‘Ich würde nicht auf eine Restrukturierung der italienischen Schulden wetten’, so Leonard. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit für einen Zahlungsausfall nicht niedrig. ‚So viele Faktoren spielen bei der italienischen Schuldenkrise eine Rolle, dass eine Prognose sehr schwierig ist.’ Daher wisse man nicht so genau, was der Markt eigentlich brauche, um wieder Vertrauen zu fassen. ‚Manchmal braucht es einfach nur Zeit‘. In der Vergangenheit verharrten die Märkte in Krisenzeiten eine Zeit lang am Boden, bevor sie wieder Vertrauen gewannen. Dies hält Leonard für die wahrscheinlichste weitere Entwicklung, auch wenn die Chancen für einen schlechteren Ausgang nicht von der Hand zu weisen seien.
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