Prominente Volkswirte zeigen sich skeptisch, dass die Lösung der Schuldenkrise in der Eurozone in die richtige Richtung geht. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, attestierte den aktuellen Bemühungen mangelnde Glaubwürdigkeit. „Die schlechten Nachrichten aus den Peripherieländern sind Stolpersteine auf dem Weg zur Lösung der Schuldenkrise“, sagte er auf der Morningstar-Investorenkonferenz am Mittwoch vergangener Woche in Frankfurt.
Das Problem sei, dass auch ein 50-prozentiger Schuldenschnitt nicht reichen könne, um Griechenland zu stabilisieren. Diese Unsicherheit lege sich „wie Mehltau“ auch auf die Konjunktur. Es sei absehbar, dass die Wirtschaft in eine Rezession gehe. "Es wird Schlimmer, bevor es wieder besser wird", sagte Krämer weiter. Die EZB dürfte deshalb die Leitzinsen noch in diesem Jahr auf 1,0 Prozent senken. "Die Bemühungen, den Brandherd Griechenland von dem Rest der Eurozone abzuschirmen sind vollkommen gescheitert", kritisierte auch Andrew Balls, Leiter des europäischen Portfoliomanagement-Teams beim Anleihemanager Pimco.
Das Problem ist heute beileibe nicht auf Griechenland reduziert; aktuell rückt Italien viel stärker in den Fokus von Investoren wie politischen Verantwortlichen. Am Mittwoch stiegen die Reniditen italienischer Staatsanleihen auf den Rekordwert von über 7,5 Prozent. Das sei auch eine Quittung für die verfehlte Wirtschaftspolitik, so der Commerzbank-Chefvolkswirt. Seit Einführung des Euro habe Italien ein „Produktivitätsdesaster“ erlitten. Allerdings, so Krämer weiter, sei etwa der italienische Maschinenbau konkurrenzfähig, und das Privatvermögen in Italien so hoch, dass "eine 50:50-Chance besteht, dass Italien die Krise bewältigen kann". Insofern sei das Land nicht mit Griechenland vergleichbar. Voraussetzung sei allerdings, dass eine geeignete Regierung das Ruder in Rom übernehme.
Die gestiegene Gefahr der Verschärfung der Krise in Italien gilt vielen Beobachtern als Alarmsignal: „Inzwischen ist klar, dass es sich nicht um eine Krise in der Peripherie handelt, sondern auch den Kern der Eurozone erreicht hat“, sagte Andrew Balls von Pimco.
Von den Euro-Problemstaaten hat nur Irland sein Defizit in diesem Jahr so gesenkt, wie Anfang des Jahres versprochen. Ein besonders düsteres Bild liefert derzeit Spanien: Es ist laut Krämer absehbar, dass Spanien das Ziel, das öffentliche Defizit um gut drei Prozentpunkte des BIP zu senken, nicht erreichen werde. Auch Portugal hinke mit seinen Sparzielen deutlich hinterher. Balls von Pimco brachte das Problem auf den gemeinsamen Nenner: "Die Peripheriestaaten haben keine eigene Notenbank im Rücken, die im Notfall die Notenpresse anschmeißen könne". Balls Ausblick fiel zudem nicht optimistisch aus: "Ich kann nicht erkennen, dass die Eurozone weiß, wie sie das Problem lösen will". Die EZB baue mit den Käufen von Anleihen aus den Problemstaaten zwar eine Brücke, "aber ich kann nicht sehen, wohin diese führt".
Noch deutlicher fiel die Kritik an den aktuellen Rettungsbemühungen von Martin Hüfner, Chefökonom von Assenagon Asset Management, aus. „Die Rettungspolitik wird noch eine Weile weitergehen, aber irgendwann wird man erkennen, dass sie gescheitert ist“, sagte Hüfner. Er plädierte für eine Wirtschafts- und Fiskalunion und einen Verzicht auf nationale Souveränität in der Finanzpolitik. „Der Euro ist eine gute Währung“, plädierte Hüfner für die Rettung der Gemeinschaftswährung. Allerdings schließe das nicht aus, dass ein, wahrscheinlich sogar zwei Krisenländer die Währungsunion verlassen müssten.
Einig waren sich Hüfner und Commerzbank-Chefvolkswirt Krämer mit Blick auf die Notwendigkeit zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte. Allerdings hob Hüfner hervor, dass Sparen alleine nicht reiche. Notwendig seien auch wachstumsfördernde Schritte. „Sparen alleine reicht nicht“, so der Assenagon-Volkswirt. Eine Quelle der Unsicherheit sei auch, dass der Unmut in den Geberländern über das Ausmaß der Rettungsmaßnahmen zunehme. Bevor eine weitere Aufstockung der Hilfen für die Peripheriestaaten denkbar sei, seien Volksabstimmungen nötig, so der Commerzbank-Chefvolkswirt.
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