Eines der wichtigsten Verkaufsargumente für börsennotierte Fonds (ETFs) sind die im Vergleich zu anderen Anlageprodukten niedrigen Kosten. Nach Angaben von Blackrock beträgt die Gesamtkostenquote (Total Expense Ratio, TER) bei ETFs auf Aktien in Europa durchschnittlich 0,40 Prozent. Bei passiven Investmentfonds liegt die Gesamtkostenquote üblicherweise bei 0,78 Prozent, und für einen aktiv gemanagten Fonds wird dem Investor - im Schnitt - ein TER von 1,76 Prozent in Rechnung gestellt. Doch obwohl man in diesem Zusammenhang von der "Gesamtkostenquote" spricht, können die tatsächlichen Kosten für die Investition in ein ETF deutlich höher liegen. In dem Artikel "Kosten eines ETF" haben wir Ihnen einen Überblick gegeben, welche Kosten beim Investieren in ETFs anfallen können.
Im Laufe der Jahre hat sich die durchschnittliche Zeit, in der ein ETF in den Wertpapierdepots der Investoren verbleibt, verringert, in vielen Fällen auf ein paar Stunden. Je kürzer aber die Haltedauer ist, desto wichtiger wird ein häufig übersehener Kostenfaktor: Die Spanne zwischen An- und Verkaufspreis, auch Geld-Brief-Spanne oder Spread genannt.
Für einen Investor, der vielleicht schon vor der Mittagspause Wertpapiere gekauft und wieder verkauft hat, spielt der Spread eine wesentlich wichtigere Rolle als für einen Investor, der seine Wertpapiere mehrere Jahre halten will. Der kurzfristig orientierte Investor hält den ETF vielleicht nur zwei Stunden und erzielt einen Gewinn von 0,10% - ein Unterschied von beispielsweise 0,01% zwischen An- und Verkaufspreis fällt da stärker ins Gewicht als bei einem langfristig orientierten Anleger.
Im ersten Teil dieser (zweiteiligen) Artikelreihe zu Spreads behandeln wir das Thema aus Sicht des Investors. Wir werden sehen, was ein Spread ist, wie er entsteht und warum Geld-Brief-Spannen voneinander abweichen können. Der Begriff "Investor" bezeichnet in diesem Zusammenhang Marktteilnehmer, die ETFs über die Börse im eigenen Auftrag oder für einen Kunden kaufen oder verkaufen, also Privatanleger, Anlageberater oder Fondsmanager. Größere Investoren wie Pensionsfonds oder Dachfonds handeln ETFs häufig außerbörslich, wo Spreads eine etwas andere Rolle spielen. Im zweiten Beitrag werden wir durch die Brille des Händlers - in unserem Fall ein Market Maker oder Authorisierter Marktteilnehmer (AP) am Primärmarkt - blicken und analysieren, was passiert, wenn eine Kauf- oder Verkaufsorder aufgegeben wird. Dabei behandeln wir die Rolle der Authorisierten Marktteilnehmer, den Creation/Redemption-Prozess, in dem ein ETF erschaffen und wieder eingezogen wird, die Möglichkeiten für Arbitrage-Handel und wie sich all diese Aspekte auf den Spread auswirken.
Spreads unter der Lupe
Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, sollten wir zunächst klären, was man unter dem Begriff "Spread" versteht. Spread bezeichnet die Spanne zwischen An- und Verkaufskurs im Verhältnis zum Marktpreis und ist damit ein Kostenfaktor, der beim Handeln von Wertpapieren zum tragen kommt. Die An- und Verkaufspreise sind üblicherweise auf der Website des ETF-Anbieters oder der Börse zu finden. Auch Ihr Broker kann sie Ihnen nennen. Zusammen mit dem aktuellen Kurs am Markt lässt sich daraus der Spread errechnen. Spreads werden normalerweise in Prozent angegeben und beziehen sich auf den Kurs des entsprechenden Wertpapiers. Ein Beispiel: Angenommen, der Ankaufspreis für ein ETF beträgt 99 Cents, der aktuelle Kurs am Markt liegt bei 100 Cents und der Verkaufspreis bei 101 Cents. Den Spread errechnet man, indem man vom Verkaufspreis von 101 die 99 Cents für den Ankaufspreis abzieht und das Ergebnis durch den Marktkurs von 100 Cents teilt. Damit kommen wir auf 2%.
Wegen des Spread hat der Market Maker - die Schnittstelle zwischen Käufer und Verkäufer - einen Anreiz zu handeln und Liquidität zu schaffen: Indem der Market Maker zu einem etwas höheren Kurs die ETF-Papiere verkaufen als kaufen kann, verdient er sein Geld, und das fast ohne Risiko. Market Maker führen täglich Tausende oder gar Millionen Transaktionen aus, denn (wie in unserem Rechenexempel) geht es bei Spreads üblicherweise um Euro-Cent-Beträge. Liquide Titel haben normalerweise niedrigere Spreads, weil mehr aktive Käufer und Verkäufer am Markt sind. Lässt man andere Faktoren außer Acht, bedeuten niedrige Spreads niedrigere Transaktionskosten, sowohl für Käufer als auch Verkäufer.
Mehr zum Thema Liquidität und ihren Tücken können Sie hier lesen.
Spread ist Spread, oder?
Wie bereits erwähnt, sind Spreads üblicherweise niedriger, je liquider die Wertpapiere sind. In seinem Buch "The ETF Handbook - How to Value and Trade Exchange Traded Funds" verwies David J. Abner auf Studien, denen zufolge zwischen der Fondsgröße, dem Spread und der Markttiefe eine starke inverse Korrelation herrscht. Grund dafür sind vor allem die Kosten der Market Maker für den Handel und die Absicherung ihrer Positionen.
Bei den meisten ETFs, die sich bei den Anlegern einer großen Beliebtheit erfreuen (wie beispielsweise ETFs auf den EURO STOXX 50), sind die Spannen zwischen An- und Verkaufskurs sehr eng. Der Lyxor ETF EURO STOXX 50 Index - der größte ETF auf den europäischen Index - etwa hatte in den 30 Tagen zum 28. Februar an der Pariser Nyse Euronext einen durchschnittlichen Spread von 0,017%.
Die Spreads von weniger häufig gehandelten ETFs können deutlich höher liegen - manchmal sogar um ein paar Prozentpunkte. Verdeutlichen wir das mit Hilfe eines Beispiels: Der größte ETF auf indische Aktien ist der Lyxor ETF MSCI India. Dieser Titel wurde zuletzt in Paris mit einem Spread von 0,031% gehandelt, fast doppelt so hoch wie der Lyxor ETF auf den EURO STOXX 50.
Es gibt mehrere Faktoren, die die Hedging-Kosten für die Market Maker beeinflussen und dazu führen, dass sich die Geld-Brief-Spanne ausweitet. So ist es etwa schwierig und teuer, sich abzusichern, wenn die Titel - wie in unserem Beispiel die indischen Aktien - nicht sehr liquide sind und der Aktienbesitz von ausländischen Investoren zudem streng reglementiert ist. Außerdem werden die indischen Aktien in einer anderen Zeitzone gehandelt. Deswegen muss der faire Wert des ETF geschätzt werden, wenn der indische Aktienmarkt geschlossen ist. Das führt zu höheren Spreads.
Leider gibt es keine Faustregel, die einem zu erkennen hilft, wann eine Geld-Brief-Spanne zu weit ist. Denn es gibt eine Reihe von Gründen, warum einige ETFs höhere Spreads haben als andere. Zu den wichtigsten Faktoren zählen die Liquidität und die Volatilität des zugrunde liegenden Index. Darüber hinaus können die Futures auf den Referenzindex zu einem deutlichen Aufschlag oder Abschlag handeln, was den Market Maker bei der Kalkulation seiner An- und Verkaufskurse beeinflusst. Auch hier ein Beispiel: Es kann sein, dass die Futures auf den S&P Index im frühen Londoner Handel auf einen sehr guten Handelsauftakt in New York hindeuten. Dies wird sich in den Spreads der Market Maker widerspiegeln. Doch die Futures zeigen nur die Erwartung der Marktteilnehmer, wie der S&P Index eröffnen dürfte. Es besteht also das Risiko, dass man falsch liegt, wenn man sich auf den Future verlässt und entsprechend handelt. Diese Unsicherheit führt zu einem Kursaufschlag. Dieser verschwindet erst, wenn die Wall Street in den Handel startet.
Auch ein volatiler Handel kann dazu führen, dass sich die Geld-Brief-Spannen ausweiten. Das konnte man beispielsweise nach der Atomkatastrophe in Fukushima vergangenes Jahr beobachten. Damals lagen die An- und Verkaufskurse für ETFs auf den MSCI Japan Index sehr weit auseinander, weil einige Market Maker es wegen der hohen Unsicherheit sogar ablehnten, überhaupt Kurse zu stellen.
Ein weiterer Einflussfaktor auf die Spreads ist das Handelsvolumen, die Orderbuchtiefe, an welchem Börsenplatz der ETF gehandelt wird und die Zahl der Market Maker für den ETF. Engere Spreads sind aber nicht automatisch ein Zeichen für starke Konkurrenz unter den Market Makern. Manche stellen einfach aggressivere Preise als andere, egal, wie viele Konkurrenten sie haben.
Spreads variieren von Handelsplatz zu Handelsplatz
Für denselben ETF können sehr unterschiedliche Spreads angegeben werden, je nachdem, an welcher Börse der Titel gehandelt wird. Der Preis wird bestimmt vom Nettoinventarwert (NAV), doch auch die vor Ort herrschende Stimmung kann Spuren hinterlassen. Weichen die ETF-Kurse an den Börsen sehr stark voneinander ab, kommen Arbitrageure ins Spiel und sorgen dafür, dass sich die Preise wieder angleichen. Um derartige Kursdifferenzen zu vermeiden und sich vor Arbitrageuren zu schützen, stellen einige Marktteilnehmer, so genannte Authorised Participants oder Authorisierte Marktteilnehmer, weite Geld-Brief-Spannen in elektronische Handelssysteme wie Xetra ein. Viele Arbitrageure setzen auf High-Frequency-Handel: Schnelle Computersysteme, die automatisch kleinste Ausreißer im Handel aufspüren und ausnutzen, so dass es für Market Maker bei engen Spreads sehr schwierig ist, sich vor Arbitrage-Handel zu schützen. Das ist vor allem auf vollelektronischen Handelsplätzen schwierig, auf denen Order in Millisekunden abgewickelt werden können.
Auch abweichende Gesetzgebungen und Steuerabkommen zwischen Ländern können Unterschiede bei den Spreads zur Folge haben. Zudem haben die Börsen unterschiedliche Vorschriften, wie groß die Geld-Brief-Spannen im ETF-Handel sein dürfen. Die Spreads an der London Stock Exchange (LSE) etwa dürfen nicht über 1,5%, 3% und 5% liegen. Diese Spannen werden von der Börsengesellschaft bei der Einführung des ETF vorgegeben und hängen davon ab, wie sie die Liquidität der abgebildeten Titel oder des Referenzindex einschätzt. Außerhalb dieser Korridore können Market Maker keine Kurse in das Ordersystem einstellen. Aber welche Regel hat schon keine Ausnahme? Auch an der LSE gibt es für Market Maker zwei. Unter bestimmten Bedingungen können die Geld-Brief-Spannen auf 25% ausgeweitet werden. Auch kann ein Market Maker eine Aussetzung des Handels beantragen, wenn er der Meinung ist, dass für mindestens 10% der Indextitel kein fester Kurs erhältlich ist. An anderen europäischen Börsen gelten ähnliche Regeln. Die Deutsche Börse unterbricht ebenfalls den Handel bei volatilem Geschäft, und die Schweizer SIX erlaubt den Market Makern, aus verschiedenen technischen Gründen zeitweise keine Geld-Briefkurse zu stellen. Beispielsweise stoppt die Deutsche Börse den Handel für zwei Minuten, wenn der nächste genannte Preis für ein ETF außerhalb eines vordefinierten Preiskorridors liegt. Nach der Aussetzung wird der Handel mit einer Auktion wieder fortgesetzt. Die Preiskorridore werden auf Grundlage der historischen Volatilität des einzelnen ETF berechnet.
Renten-ETFs - ein etwas anderer Fall
Alles, was wir bisher besprochen haben, trifft auch auf Renten-ETFs zu. Allerdings sind üblicherweise die Geld-Brief-Spannen von ETFs auf festverzinsliche Titel weiter als die von Aktien-ETFs.
Der Großteil des Aktienhandels wird über öffentliche Börsen abgewickelt. Deswegen haben die Investoren zu jedem Zeitpunkt während des Handels eine klare Vorstellung davon, was der Markt für den fairen Preis für eine Aktie hält. Festverzinsliche Papiere dagegen werden meistens außerbörslich gehandelt. Wie sich der Preis bildet, unterliegt damit zahlreichen anderen Einflüssen. Zudem haben Index-Anbieter unterschiedliche Methoden, um den Wert ihrer Indizes zu berechnen. Diese Unterschiede machen sich bei weniger liquiden Märkten - etwa bei hochverzinslichen Anleihen oder Bonds von Schwellenländern - umso deutlicher bemerkbar. Der größte ETF auf deutsche Staatsanleihen ist der iShares eb.rexx GovGer 2.5-5.5 (DE). Dieser ETF hatte zuletzt im Handel der Deutschen Börse im 30-Tages-Schnitt einen Spread von 0,135%. Der Spread des iShares Markit iBoxx Euro Hi-Yield Bond (DE) - des größten ETF auf hochverzinsliche Anleihen der Euro-Zone- lag zur gleichen Zeit bei 1,07%.
Dieses Beispiel zeigt nicht nur, dass die Geld-Brief-Spannen davon abhängen, wie liquide der abgebildete Markt ist, sondern tendenziell auch bei festverzinslichen Produkten höher sind.
Zusammenfassung
Als Investor muss man sich dessen bewusst sein, dass Spreads von ETF zu ETF und von Börse zu Börse sehr unterschiedlich ausfallen können. Dass die Geld-Brief-Spanne auf ETFs, die denselben Index abbilden, unterschiedlich sein kann, hängt zum großen Teil davon ab, wo die Titel gelistet sind und welche Systematik hinter dem Orderbuch und der Preisstruktur des entsprechenden Market Makers liegt. Manch ein Market Maker ist Experte auf einem Gebiet und stellt für diese Produkte sehr konkurrenzfähige Kurse, während er in anderen Bereichen, in denen er sich weniger gut auskennt, weniger gute Preise nennt.
Es gibt zahlreiche Faktoren, die Spreads beeinflussen. Es lohnt sich daher, die Kurse von mehreren Marktteilnehmern zu vergleichen, vor allem, wenn man sich für ein wenig gehandeltes Produkt interessiert.
Mit all diesem Wissen im Hinterkopf werden wir im zweiten Teil der Serie über Spreads am kommenden Freitag einen Blick hinter die Kulissen werfen: Das Thema Spreads aus Sicht der Market Maker (lesen Sie hier mehr).
Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen dienen ausschließlich zu Bildungs- und Informationszwecken. Sie sind weder als Aufforderung noch als Anreiz zum Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers oder Finanzinstruments zu verstehen. Die in diesem Artikel enthaltenen Informationen sollten nicht als alleinige Quelle für Anlageentscheidungen verwendet werden.