Herr Beck, Sie vertreten die These, dass Investments in Aktien die beste Art darstellt, Risikoprämien zu vereinnahmen (lesen Sie hier Teil I des Interviews). Dafür eignen sich ETFs sehr gut. Dennoch gelten Sie als Kritiker von Indizes, die nach Marktkapitalisierung gewichtet sind. Damit zweifeln Sie die Sinnhaftigkeit des überwiegenden Teils ETF-Marktes an, der ja so gut wie ausschließlich aus marktkapitalisierungsgewichteten Investments besteht. Warum?
Es geht für Anleger darum, auf möglichst effiziente Art Risikoprämien zu vereinnahmen. Auf den ersten Blick sind ETFs auf den DAX, EURO STOXX oder SMI auf optimale Weise dafür geeignet. Sie sind transparent und günstig und haben nicht den Anspruch, mehr zu leisten, als ihren Index abzubilden. Aber die meisten ETFs sind nicht optimal dafür geeignet sind, Risikoprämien effizient zu vereinnahmen. Ein Index, der nach Marktkapitalisierung funktioniert, wird immer die teuren Aktien überproportional hoch gewichten. Ein ETF, der diesen Index abbildet, kauft also die Aktien, die die niedrigsten Risikoprämie bieten. Das ist nicht optimal, weil Anleger damit nicht vor spekulativen Blasen geschützt sind. Im Gegenteil: Je stärker sich solche ETFs durchsetzen, desto mehr werden sie Spekulationsblasen anheizen. Sie führen Anleger mit traumwandlerischer Sicherheit in die nächste Blase hinein. Im Jahr 2000 spiegelten der Dax und EURO STOXX 50 die TMT-Blase wider, im Jahr 2007 war es die Bankenblase. Das ist kein Zufall, sondern ein Konstruktionsfehler.
Gleichen sogenannte Strategieindizes dieses Manko aus?
Vereinzelt nur teilweise, in der Summe wahrscheinlich schon eher. Bei Value-Benchmarks sieht es genauso aus wie bei den normalen Standardwerteindizes, denn auch sie folgen in der Regel der Gewichtung nach Marktkapitalisierung, nur, dass sie bestimmte Kennziffern hoch gewichten. Im Jahr 2007 waren die STOXX Value-Indizes auch zu rund 50% in Banken investiert. Mit solchen Produkten haben Anleger hohe Verluste erlitten. Aus diesen Gründen haben wir eine Alternative geschaffen und den Index „Portfolio Total Return“ konstruiert. Er vermeidet die Probleme der einseitig ausgerichteten Indizes, weil er neben einer Bond-Quote effizient Risikoprämien vereinnahmt.
Wie erreicht er das?
Er deckt das vollständige Anlageuniversum ab: Aktien, Anleihen, Immobilien auf der einen Seite und auf der anderen Seite Industriestaaten und Schwellenländer. Er basiert auf den Arbeiten von Fama und French, die nachgewiesen haben, dass zum Beispiel innerhalb der Aktien systematisch Überrenditen aufgrund spezifischer Risikoprämien angestrebt werden können. Bei Aktien greifen wir dies über die Segmente Value, Nebenwerte und Emerging Markets auf, bei Anleihen über Covered Bonds, unter anderem deutsche Pfandbriefe, Unternehmensanleihen und auch Schwellenländer.
In ihrem Index, der auch die Grundlage des db x-trackers Portfolio Total Return Index ETF darstellt, finden sich unter anderem passive Dividendenstrategien. Wie die Jahre 2007 und 2008 gezeigt haben, können solche Strategien auch furchtbar danebenliegen. Ist die Zusammensetzung des perfekten Index also nicht nur eine Frage des Timings?
Nein, die Entscheidung, den Markt zu timen, ist diskretionär, der Total Return Index, den wir seinerzeit in Kooperation mit der Quirin Bank aufgesetzt haben, zielt auf die systematische Vereinnahmung von Risikoprämien ab. Eine Mischung verschiedener Strategien, die regelmäßig adjustiert, also von Zeit zu Zeit auf neutral gesetzt werden, schlägt langfristig die meisten aktiven Anlagestrategien. Der Portfolio-Index ist kein Ersatz für aktives Management, sondern eine Basis zur effizienten Vereinnahmung von Marktrenditen. Auf dieser Basis bietet es sich an, aktive Strategien als Beimischungen dazu zu nehmen. Damit wird die Suche nach dem Alpha von den Marktrenditen klar getrennt und eine Portfoliosteuerung vereinfacht.
Wozu die Trennung?
Das Problem bei aktiven Fonds ist oft, dass Marktrendite und Managementleistung für den Investor nicht unterscheidbar sind. Aktive Fonds, die für eine vermeintliche Managementleistung gefeiert werden, beziehen ihre Outperformance bei genauem Hinsehen oft nur daraus, dass sie mehr Risikoprämien spielen, als im Vergleichsindex abgebildet sind. Hinter der vermeintlichen Fähigkeit, Alpha zu erzielen, stecken also Risiken, denen sich die meisten Anleger nicht bewusst sind.
Dennoch enthält Ihr Index etliche Strategie-Elemente. Neben Dividenden bedeutet die tendenzielle Gleichgewichtung auch, dass bei einer Standardwerte-Hausse der Nebenwertefaktor zum Nachteil wird. Da haben nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes Vorteile.
Sie sprechen tatsächlich einen wunden Punkt an. Indexanomalien haben immer zwei Seiten – sie können fürchterlichen Schaden im Portfolio anrichten, aber sie können auch aufgehen. Die aktuell hohe Gewichtung von Banken im EURO STOXX 50 kann beispielsweise ein riesiger Renditebringer sein, wenn sich die Banken der Eurozone erholen. Auch ist es bei den marktkapitalisierungsgewichteten Indizes bis zum Platzen der Technologieblase im Jahr 2000 ziemlich lange gut gegangen. Aber es geht nicht darum, immer das Richtige zu tun. Das kann keiner, sondern darum, breit über verschieden Anlageklassen zu streuen.
Sie haben erwähnt, dass die Anomalien bei marktkapitalisierungsgewichteten Indizes auch ziemlich lange für den Investor arbeiten können. Wie lange sollte man einem nicht nach Marktkapitalisierung gewichteten Risikoprämien-Portfolio Zeit zum Entfalten geben?
Ich würde sagen, dass 5 Jahre ausreichen sollten für ein derartiges Portfolio. Wichtig ist dabei, dass die Kosten niedrig bleiben und regelmäßig rebalanciert wird. Radikales Umschichten sollte man vermeiden, sonst holt man sich ein Timing-Risiko, welches alles andere wieder überlagert. Weniger ist hier fast immer mehr.
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