Seit der Finanzkrise wird Anlegern geraten, nur in Produkte zu investieren, die sie verstehen und bei denen sie wissen, was drin steckt. Das ist auch unter ETF-Anbietern nicht umstritten. Sie liefern die Transparenz, die von ihnen erwartet wird klaglos bzw. manchmal auch proaktiv. Ganz anders ist der Fall offenbar bei Indexanbietern gelagert. Diese haben in ihren Stellungnahmen zur aktuellen Richtlinien der EU-Wertpapieraufsicht ESMA eine andere Meinung kundgetan. STOXX ist etwa der Meinung, dass unabhängige Indexanbieter erst gar nicht von den kommenden Richtlinien berücksichtigt werden sollen, sondern lediglich an den ETF-Anbieter angegliederte Indexanbieter. Aus der gemeinsamen Stellungnahme von MSCI und FTSE geht hervor, dass diese sich speziell um das geistige Eigentum sorgen. Eine erhöhte Transparenz bei Strategieindizes findet dagegen wenig Gegenliebe.
Dieser Missstand wird oft deshalb nicht zur Kenntnis genommen, weil die meisten Informationen über die Indexzusammensetzung heutzutage bei den einzelnen ETF-Anbietern auf der Homepage abrufbar sind. Diese Informationen werden jedoch unzureichend oft aktualisiert. Eine externe Website hierzu einzurichten, die diese Informationen täglich aktuell anbietet, verstößt laut den Index-Anbietern jedoch gegen das Urhebergesetz und würde den Wettbewerb verzehren. Da die Haltedauer von ETFs immer kürzer wird und sich sogar oft auf wenige Stunden innerhalb eines Tages reduziert, ist die zeitnahe Information der exakten Indexzusammensetzung für einen Anleger jedoch sehr wichtig, damit dieser die (ETF-)Risiken genau anschätzen kann.
Bei Strategieindizes stellen sich die Index-Anbieter erst recht quer und wollen so wenig wie möglich preisgeben. Sie argumentieren, dass sich die ESMA auf inverse und gehebelte Indizes aufgrund ihres besonderen Risiko-Rendite-Profils konzentrieren soll und nicht auf Strategieindizes. Dies ist aber nicht im besten Interesse des Investors. Die Gefahr besteht darin, dass Privatinvestoren durch ETFs schnellen Zugang zu diesen teilweise hochkomplexen Strategien haben. Es ist also im Sinne des Investorenschutzes, dass Anleger die genau Indexkonstruktion verstehen bzw. über die Zusammensetzung sehr genau informiert sind; und zwar zu jedem Zeitpunkt. Das ist in den USA bereits gängige Praxis: Die US-Aufsichtsbehörde SEC lässt etwa aktive ETFs nur dann zu, wenn die Indexbestandteile täglich veröffentlicht werden.
Aber auch der Hinweis, dass die Fondsbestandteile eines ETFs wichtiger sind als die Bestandteile des zugrunde liegenden Index, entspricht nicht der Sicht des Investors. ETFs sind im Idealfall austauschbar und werden in erster Linie als Tool zur Replizierung eines bestimmten Index gekauft. Die gesamte Portfoliokonstruktion wird vom Index und nicht den Fondsbestandteilen abgeleitet. Es kommt also sehr wohl auf den Index an. Auch weil ETFs zumeist im Kontext von bereist bestehenden Portfolios gekauft werden, ist es unabdingbar, den Index selbst genau zu verstehen.
Es kommt also wenig überraschend, dass Morningstar den Vorschlag der ESMA für mehr Transparenz von Indexanbietern voll und ganz unterstützt. Insbesondere das starke Wachstum von aktiven Indizes, die den Investoren Zugriff auf immer komplexere Strategien geben, verlangt eine bessere Transparenz zum Schutze des Anlegers. Hier gibt es noch viel Nachholbedarf. Manche Indizes, die täglich ihre Indexbestandteile wechseln, werden nur mit zwei Wochen Verspätung veröffentlicht. Investoren erfahren also nur einmal pro Woche, was sie an einem ganz bestimmten Tag zwei Wochen zuvor eigentlich im Portfolio hatten. An solchen Beispielen zeigt sich, dass Transparenz bei den Indizes nicht nur hilfreich, sondern auch dringend nötig ist.
* Die Orginalfassung dieses Artikels erschien als Gastbeitrag bei Reuters am 26.4.2012
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