Immer noch berichten Fondsmanager, dass in festverzinsliche Anlagen frisches Geld fließt. Obwohl vergangene Woche Anleihen von Unternehmen mit Investment-Grade-Status im Volumen von über 17 Milliarden Dollar auf den Markt in den USA kamen, scheint es immer noch Investoren zu geben, die viel Cash horten. Die Creditspreads im Morningstar Corporate Bond Index haben sich im Schnitt um 6 Basispunkte auf +167 eingeengt. Die Renditeaufschläge sind damit so niedrig wie seit August 2011 nicht mehr und liegen nur noch leicht über dem Durchschnittswert der vergangenen zwölf Jahre. In Schwung kam der Markt vor allem, nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) vergangenen Donnerstag ihr Anleihekaufprogramm ankündigte.
Kein anderes Unternehmen hat von dem geradezu überschwänglichem Interesse an Unternehmensanleihen und dem neu aufgekommenen Optimismus so stark profitiert wie Telefonica (TEF, „BBB-"). Am Mittwoch brachte das spanische Unternehmen Senior Notes im Volumen von 750 Million Euro mit Fälligkeit 2017 an den Markt. Der Kupon betrug 5,811% und der Renditeaufschlag lag 485 Basispunkte über den Midswaps. Nur zwei Tage später stockte Telefonica die Emission um 250 Millionen Euro auf und preiste die Titel 390 Basispunkte über den Midswaps – also fast 100 Basispunkte günstiger! In einer Studie am 26. Juli hatten wir die Bonds von Telefonica als relativ attraktiv bewertet bezeichnet – die Anleihen waren geradezu verlockend günstig, aber das Risiko durch die enge Verbindung an die spanischen Staatsfinanzen zu riskant, um sie mit „Übergewichten” einzustufen. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Titel mit Fälligkeit 2016 und Verzinsung von 3,992% mit einem Aufschlag von 650 Basispunkten gehandelt. Dieser Spread ist mittlerweile auf 420 Basispunkte zusammengeschrumpft!
Zweifelsohne ist das Schicksal der Telefonica-Bonds immer noch stark von der spanischen Staatsverschuldung abhängig, und die Geschehnisse vergangene Woche waren stark von den Schritten der EZB beeinflusst. Mit Blick auf das aktuelle Niveau der Spreads stehen wir deswegen Telefonica zurückhaltend gegenüber – doch im Vergleich zu Telecom Italia (TI, „BB+“) bevorzugen wir das spanische Unternehmen.
Die Anleihen von Telefonica werden sicherlich nicht die letzten Papiere sein, die in diesen Tagen angeboten werden. Angesichts der schier unersättlichen Nachfrage nach neuen Unternehmensanleihen werden aber auch die zu erwartenden Emissionen schnell einen Käufer finden, und unter den neuen Papieren sollte es auch die eine oder andere gute Alternative zu den bereits kursierenden Papieren geben.
Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als auch am Markt für Unternehmensanleihen fundamentale Fakten wichtig waren? Derzeit kann wohl jedes Unternehmen seine Papiere schnell unterbringen – ganz egal, welches Kreditrating es hat. Während der Markt einzig und allein auf die Notenbanken blickt, haben FedEx und Intel ihre Zielvorgaben für das dritte Quartal heruntergeschraubt. In der Vergangenheit hätte eine solche Nachricht von derart wichtigen Unternehmen die Märkte erschüttert, nun aber gingen die schlechten Nachrichten in der Euphorie über die spendablen Notenbanker unter.
Selbst der amerikanische Arbeitsmarktbericht am vergangenen Freitag wurde nicht daraufhin analysiert, welchen Einblick er in die Entwicklung der Wirtschaft gibt, sondern einzig und allein darauf, ob er eine weitere Geldspritze der US-Notenbank rechtfertigt. Auch wenn der Markt derzeit keine Zeit darauf verschwenden scheint, sich Unternehmensdaten genau anzuschauen, raten wir Ihnen, bei der Auswahl Ihrer Investitionen vorsichtig zu sein. Denn wenn der Markt erst einmal dreht, könnte sich eine Nachlässigkeit böse rächen.
Die EZB springt in die Bresche
Mit Blick auf das neue Anleihekaufprogramm über die so genannten geldpolitischen Outright-Geschäfte scheint sich die EZB von einer Zufluchtsstelle für Banken zu einer Zufluchtsstelle für Staaten zu entwickeln – und das nicht nur im Gegenzug für besicherte Wertpapiere, sondern auch für unbesicherte. Sobald ein Land formal einen Hilfsantrag stellt und die Bedingungen für Unterstützung durch die Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität (EFSF) oder den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) akzeptiert, tritt das neue Anleihekaufprogramm in Kraft. Die Gefahr eines staatlichen Zahlungsausfalls ist damit kurzfristig vollständig gebannt. Die EZB will dabei nicht Staatsanleihen direkt kaufen, sondern bereits umlaufende Papiere mit einer Laufzeit von bis zu drei Jahren, um damit die Zinsen auf ein Niveau zu drücken, das ihr angemessen scheint.
Die Reaktion auf diese Nachricht folgte sofort: Die Nachfrage nach spanischen und italienischen Staatsanleihen zog an. Die Rendite zweijähriger Titel Spaniens verringerte sich um 91 Basispunkte auf 2,74%, die zehnjähriger Papiere um 126 Basispunkte auf 5,63%. Bei den italienischen Staatsanleihen sank die Rendite bei den kurzlaufenden Papieren um 56 Basispunkte auf 2,24%, die der zehnjährigen Papiere fiel um 80 Basispunkte auf 5,06%.
Spanien muss nun noch vor Ende Oktober auf dem Primärmarkt aktiv werden, um das Loch im Staatshaushalt zu stopfen und einige auslaufende Papiere zu refinanzieren. Zwar sind die Renditen nun gesunken, doch noch lässt sich nicht abschätzen, ob schon allein die Ankündigung des neuen EZB-Programm die Investoren ermutigt, wieder all die Titel zu kaufen, wie Madrid auf den Markt bringen muss – oder ob Spanien nicht doch offiziell unter den Rettungsschirm schlüpfen muss. Wir sind der Meinung, dass Spanien einen solchen Schritt bis zuletzt vermeiden will, um sich eine bessere Position in den Verhandlungen über die Bedingungen zu verschaffen. Beide Seiten – sowohl die EZB als auch Spanien – befinden sich nun aber in einer schwierigen Situation, denn egal, welche Partei scheitert, dürfte eine Implosion der Eurozone die Folge sein, eine Art gegenseitig vereinbarter Finanzkollaps.
Hilfe mit Haken
Die EZB hat zwar erklärt, dass sie bei den von ihr eingesammelten Anleihen die gleichen Rechte hat wie andere Gläubiger, doch da sind wir skeptisch. Wenn es hart auf hart kommt, wird die EZB sicherlich eine Sonderbehandlung bekommen, das haben wir in der Vergangenheit schon erlebt (denken Sie an GM und Chrysler). Zudem sehen wir es mit Sorge, dass die EZB die Entscheidung für das Anleihekaufprogramm nicht einstimmig getroffen hat. Bundesbank-Chef Jens Weidmann hat dagegen gestimmt, weil es seiner Ansicht nach auf eine Staatsfinanzierung durch die Notenpresse hinausläuft. Zudem sinke der Druck auf die Länder, kurzfristig schmerzhafte, aber notwendige Reformen vorzunehmen. Auch würden durch die Maßnahmen die Kreditrisiken auf die Steuerzahler anderer EU-Mitglieder abgewälzt. Sollte die Staatsschuldenkrise nicht durch das Anleihekaufprogramm beendet werden, könnte es sein, dass wegen dieser Unstimmigkeit Risse durch die europäische Gemeinschaft gehen, die zu einer stärkeren Entzweiung der Eurozone führen.
Die Ankündigung des Anleihekaufprogramms führte auch dazu, dass die pessimistischeren Wirtschaftsprognosen der EZB von vielen Marktteilnehmern nicht richtig wahrgenommen wurden. Dabei rechnet die EZB nun damit, dass die Wirtschaft in der Eurozone in diesem Jahr um 0,2% bis 0,6% schrumpfen wird und reduzierte das Mittel ihrer Prognosespanne für 2013 auf 0,5% von zuvor 1,0%. Zugleich setzte die EZB ihre Inflationserwartung um 0,1% hoch auf eine Spanne von 2,4% bis 2,6%. Während sich die Wirtschaftslage verschlechtert, dürfte das den angeschlagenen Staaten die Finanzierung weiter erschweren und bei Banken, die bereits mit notleidenen Krediten kämpfen, zu noch höheren Verlusten führen.
Nach der EZB sind nun die amerikanischen Notenbanker am Zug
Am Mittwoch nun ist es endlich so weit: Das Bundesverfassungsgericht wird über mehrere Anträge gegen den dauerhaften Rettungsschirm und den Europäischen Fiskalpakt entscheiden. An den Märkten herrschte nach der Entscheidung der EZB schon Zuversicht, und dass der CSU-Politikers Peter Gauweiler mit seinem Eilantrag den Zeitplan ins Wanken bringt, erwarten die Wenigsten. Sollten die Verfassungsrichter aber gegen den ESM urteilen, wäre das ein herber Rückschlag für die Politiker der Eurozone. Auch wenn die Entscheidung vertagt wird, dürfte das an den Märkten für Verstimmung sorgen. Am Donnerstag folgt aber schon das nächste Highlight: Die Federal Reserve veröffentlicht ihre Zinsentscheidungen der September-Sitzung und wird möglicherweise weitere geldpolitische Hilfsmaßnahmen ankündigen.
Wenn die Richter des Bundesverfassungsgerichts nicht für eine böse Überraschung sorgen, dürfte sich die Aufmerksamkeit des Marktes dann wieder gen Spanien richten, wo die Bankenbranche von den öffentlichen Finanzmärkten nach wie vor quasi abgeschnitten ist. Es ist immer noch nicht klar, wie die Hilfen für den Sektor aussehen sollen und was das für den spanischen Staatshaushalt bedeuten würde. Zudem dürfte bald auch die Ratingagentur Moody's ihr Urteil über die Bonität Spaniens verkünden. Und dann steht auch noch der Bericht der Troika zu Griechenland bevor.
Konjunkturdaten rücken angesichts dieser wichtigen Ereignisse in dieser Woche in den Hintergrund. Dabei klingt die Woche mit einem wahren Zahlenreigen aus den USA aus, wenn etwa die Daten zu den Einzelhandelsumsätzen, die Verbraucherpreise, der Industrieproduktion und dem Verbrauchervertrauen der Uni Michigan veröffentlicht werden. Auch die Parlamentswahlen in den Niederlanden am Mittwoch dürfte der eine oder andere Investoren interessiert verfolgen – wenn nicht die Richter in Karlsruhe oder die Notenbanker in Washington für so einen Trubel sorgen, dass alles andere keine Rolle mehr spielt.
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