Mit den ungewöhnlich deutlichen Worten "I think there will be no Staatsbankrott in Greece" hat deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble die Tage seinen Ausblick zum Verbleib Griechenlands in der Eurozone kundgetan. Ein Austritt stehe nicht zur Debatte, betonte er. Dabei steht der Bericht der Troika zur Lage in Griechenland noch aus. Der berühmte Investor George Soros hat ohnehin einen anderen Vorschlag zur Lösung der Schuldenkrise: Deutschland solle aus der Eurozone austreten! Wie das Schäubles Amtskollegen und die anderen Investoren das sehen, wird sich in den kommenden Tagen zeigen. Und auch Spanien bleibt in den Schlagzeilen. Langweilig wird es den Investoren in dieser Woche also sicher nicht, zumal neben dem EU-Gipfel Ende der Woche noch zahlreiche Quartalsberichte anstehen!
Am Markt für Unternehmensanleihen geht es unterdessen weiter aufwärts. Im Schnitt verringerten sich die Spreads der Unternehmensanleihen im Morningstar Corporate Bond Index vergangene Woche um 3 Basispunkte auf +144. Seit Anfang Juni sind die Renditeaufschläge ohne große Ausreißer kontinuierlich um etwa 4 Basispunkte pro Woche zusammengeschmolzen. Vergangene Woche kam es denn auch zu einer Aufholjagd der Industrietitel. Unternehmensanleihen aus diesem Bereich waren den Papieren der Finanzbranche zuletzt hinterhergehinkt, nun aber ging es um 4 Basispunkte vorwärts, während die Finanztitel kaum verändert notierten. Für eine überdurchschnittliche Performance wäre man auf Jahressicht mit Finanztiteln aber besser gefahren: Die Bonds liegen immer noch mit 27 Basispunkten vorn, obwohl die Renditeaufschläge von ihrem Hoch bei 148 Basispunkten im vergangenen Dezember seit Jahresbeginn um rund 120 Basispunkte zusammengeschrumpft sind.
Ungeachtet der fundamentale Lage kaufen Anleger Bonds
Das übergeordnete Bild ist aber immer noch das gleiche: In Fixed-Income-Fonds fließt weiterhin viel Geld, das angelegt werden muss, und da es wenig Neuemissionen gibt und von den Händler immer weniger Unternehmensanleihen angeboten werden, sind viele Investoren verzweifelt auf der Suche nach guten Bonds. Jeder Kursrückgang am Markt für Unternehmensanleihen wird sofort für Käufe genutzt.
Diese Faktoren bestimmen nun seit einiger Zeit den Handel – ganz unabhängig davon, wie die Stimmung unter den Investoren generell ist. In jedem Gespräch mit Anlegern in der vergangenen Woche haben wir Klagen über das karge Angebot gehört und dass es quasi unmöglich sei, Bestände aufzustocken. Doch während Investoren Anlagenotstand haben, blicken sie zugleich mit Sorge auf die Entwicklungen in den USA, China und Europa. Auf der anderen Seite des Atlantiks droht das so genannte “Fiscal Cliff”: Wenn sich die amerikanischen Politiker nicht rechtzeitig einigen, treten zum Jahreswechsel automatisch Ausgabenkürzungen des Staates und massive Steuererhöhungen in Kraft, und Experten befürchten, dass das weitreichende Auswirkungen auf die US-Wirtschaft haben könnte.
Die Lage in China sieht ebenfalls nicht rosig aus, schließlich sinkt die Wachstumsrate des Landes seit Monaten. Und in Europa ist es seit Ende August zwar etwas ruhiger geworden, aber die Investoren haben die strukturellen Probleme in der Europäischen Union noch nicht vergessen. In den kommenden Wochen werden zunächst die Quartalsberichte der Unternehmen und die US-Präsidentschaftswahlen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber danach dürften die alten Sorgen zurückkehren.
Spanien liegt bei S&P und Moody´s über Ramschniveau
Standard & Poor's hat das Rating für Spanien auf „BBB-“ gesenkt, das niedrigste Rating vor dem Abstieg in die Kategorie „Ramsch“. Normalerweise hätte ein solcher Schritt am Markt zu einem Verkauf der Staatsanleihen führen müssen, doch Spaniens zehnjährige Bonds zogen an und die Rendite sank um 14 Basispunkte auf 5,63%. Die Investoren spekulierten darauf, dass Spanien nun keine andere Wahl hat, als offiziell bei der EU um Hilfe zu bitten, was Voraussetzung dafür ist, dass die Europäische Zentralbank (EZB) spanische Staatsanleihen aufkaufen kann. Allerdings hat die Reaktion des Marktes nach der Herabstufung den Effekt, dass der Druck auf Spanien nachlässt. Denn bei niedrigeren Renditen kann das Land sich günstiger refinanzieren und seine auslaufenden Staatsanleihen günstiger durch die Ausgabe neuer Papiere ersetzen. Zuletzt kursierten aber Berichte, dass Spanien offiziell um Hilfe bitten wird – im November. Die Diskussionen und Spekulationen könnten also noch eine Weile anhalten.
Die Einschätzung von Moody's zu Spanien hat auch für Beruhigung gesorgt: Die Ratingagentur hatte bereits vor Monaten angekündigt, das Rating „Baa3” zu überprüfen und Spanien möglicherweise unter Investment-Grade zu stufen. Das ist gestern jedoch nicht passiert, das Rating „Baa3” bleibt - vorerst - aktuell. Wir bei Morningstar vergeben zwar keine Ratings für Staatsschulden, aber es ist für uns auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar, wie ein Land ein Investment-Grade-Rating haben kann, das Hilfe für sein Bankensystem erbitten musste, das kurz davor steht, unter den EU-Rettungsschirm zu flüchten und dessen Lage die EZB dazu veranlasste, ein neues Hilfsprogramm aufzulegen um die Investoren zu beruhigen!
Spaniens Wirtschaft geht es immer schlechter, und die Probleme, die Spanien in diese Lage gebracht haben, sind noch nicht gelöst. Eine Zuordnung der Staatsanleihen zum Bereich „spekulative Anlage“, wie sie der Markt bereits vorweggenommen hat, scheint uns angesichts dessen angemessener als der Verbleib im Investment-Grade-Bereich.
Spanien wird seine strukturellen Probleme lösen müssen, damit es mit der Wirtschaft wieder aufwärts geht und das Land wieder auf eigenen Füßen stehen kann. Bis dahin hängt das Schicksal des Landes von den Entscheidungen der anderen EU-Mitglieder ab. Und das ist nicht unproblematisch. Verzögert sich der Prozess kann die Unsicherheit wieder die Bond-Märkte dominieren, und dann wird Spanien der Weg zum Kapitalmarkt versperrt sein.
Weniger Neuemissionen – Quartalsberichte haben Vorrang
Wie von uns erwartet, ging es am Primärmarkt in der vergangenen Woche etwas ruhiger zu. Die Unternehmen sind damit beschäftigt, ihre Quartalsberichte vorzubereiten und halten sich mit Neuemissionen zurück. Auch diese Woche dürften kaum neue Papiere an den Markt kommen. Erst wenn die Berichtssaison vorbei ist, sollte das Geschäft wieder etwas Fahrt aufnehmen, nicht zuletzt, weil so manch ein US-Unternehmen noch Geld einsammeln will, bevor das Fiscal Cliff stärker in den Blick des Marktes rückt und die US-Präsidentschaftswahl stattfindet.
Auch für europäische Investoren werden in den kommenden Tagen Quartalsberichte im Vordergrund stehen, nur wenige wichtige Konjunkturdaten stehen auf der Agenda. Am meisten Beachtung finden dürften in den nächsten Tagen der Philly-Fed-Index und das Bruttoinlandsprodukt Chinas. Beide Zahlenreihen werden am Donnerstag veröffentlicht. Zugleich beginnt der EU-Gipfel in Brüssel. Und damit dürften dann einmal mehr Griechenland und Spanien die Richtung an den Märkten vorgeben.
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