Auf der anderen Seite des Atlantiks hat der Wirbelsturm „Sandy“ Trümmer und Chaos hinterlassen – hierzulande sorgt weiterhin die Schuldenkrise für Durcheinander. Wieder wird über einen Schuldenschnitt Griechenlands und Milliardenhilfen diskutiert, und auch Spanien verunsichert die Investoren, weil das Land immer noch nicht – wie seit Wochen erwartet – offiziell Hilfe von der EU beantragt hat. Zudem enttäuschten in den vergangenen Tagen mehrere Unternehmen mit ihren Quartalsergebnissen und skeptischen Ausblicken, sowohl in den USA als auch in Europa. All das trübte die Stimmung an den Finanzmärkten in der vergangenen Woche ein. Die Renditen der Staatsanleihen aus Griechenland, Italien und Spanien zogen wieder an, und die Investoren investierten auf der Suche nach dem „sicheren Hafen“ in deutsche Staatsanleihen. Die Spreads der Unternehmensanleihen im Morningstar Corporate Bond Index weiteten sich vergangenen Woche im Schnitt um 3 Basispunkte auf +136. Größere Kursverluste verhinderten unter anderem das günstige Umfeld für Unternehmensanleihen – die Nachfrage der Investoren bleibt hoch. Immerhin konnte Italien am Dienstag vergangene Woche Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit zu deutlich günstigeren Konditionen verkaufen als noch im vergangenen Monat.
Rückkehr der Risikoaversion könnte die Kurse ins Rutschen bringen
Nach einer Reihe von Gesprächen mit Anlegern in den vergangenen drei Wochen haben wir den Eindruck gewonnen, dass Fondsmanager sich wie ein Autofahrer verhalten, der mit einem Fuß Gas gibt, während er gleichzeitig mit dem anderen auf der Bremse steht. Fondsmanager versuchen, mit dem von technischen Faktoren getriebenen Markt Schritt zu halten, indem sie in ihr Portfolio auch riskantere Titel aufnehmen. Zugleich aber erscheint ihnen der Ausstieg immer verlockender. Einige Investoren, mit denen wir sprachen, haben angesichts der hohen Kurse damit begonnen, ihre riskantesten Positionen zu verkaufen. Etliche andere aber wollen mehr Risiko gehen auf der Suche nach Titeln mit größerer Volatilität. Wie weit wird der Markt noch von diesem Umfeld in die Höhe getrieben, wie weit laufen die Spreads noch zusammen? Das war die Frage, die wir in diesen Gesprächen am häufigsten zu hören bekamen. Diese Unsicherheit ist gefährlich: Denn sollte es dazu kommen, dass die Investoren wieder risikoscheuer werden, könnte es angesichts der Positionierung vieler Marktteilnehmer zu einem Ausverkauf kommen.
Unser Rat lautet weiterhin: Setzen Sie stärker auf defensive Werte und tragen Sie dem Risiko Rechnung, indem Sie auf zyklische Unternehmen setzen, deren Anleihenkurse durch die Vorlage schwacher Quartalszahlen unter Druck gekommen sind. Eine Outperformance könnte auch so erzielt werden, indem man Anleihen von zyklischen Unternehmen untergewichtet, die noch keine Zahlen vorgelegt haben und deren Titel einen engen Spread aufweisen. Wenn Sie Ihr Pulver trocken halten, können Sie zuschlagen, wenn sich die Spreads zyklischer Unternehmen nach der Präsentation der Quartalsberichte wieder ausweiten. Dabei empfehlen wir (wie immer!) Emittenten, deren Geschäftsmodelle denen der Konkurrenz langfristig und nachhaltig überlegen sind.
Unternehmen bei Investitionen zurückhaltend – Bremse für Technologiebranche
Unternehmensanleihen aus dem Bereich Technologie sind dem Markt zuletzt hinterhergehinkt. Die Spreads dieser Titel weiteten sich in der vergangenen Woche um 5 Basispunkte aus. Die Branche ist damit auf dem besten Weg, in diesem Monat ihr bisher schlechtestes Ergebnis zu verbuchen: Denn im Oktober haben sich die Risikoaufschläge damit gerade einmal um einen Basispunkt verringert, während der Gesamtmarkt der Unternehmensanleihen um 20 Basispunkte zusammenschnurrte. Unserer Meinung nach werden die niedrigeren Anlageinvestitionen der Unternehmen diese Branche überdurchschnittlich hart treffen - diese Einschätzung haben wir bereits in einer Ende September veröffentlichten Studie zu den Aussichten der Technologiebranche im vierten Quartal dargelegt.
Im dritten Quartal waren die Ergebnisse der Technologieunternehmen durch die Bank schwach. Zahlreiche Quartalsberichte haben die Investoren enttäuscht, darunter auch die so wichtigerGroßkonzerne wie IBM (IBM, „AA-"), EMC (EMC, „A+“), und Google (GOOG, „AA“).
Muss AMD frühzeitig umschulden?
Wie riskant es sein kann, in dem sich verschlechternden Wirtschaftsumfeld in ein Unternehmen zu investieren, das der Konkurrenz nicht voraus ist, zeigt das Beispiel AMD (AMD, „B“). Eine sich eintrübende Konjunktur, immer mehr Konkurrenz für den klassischen PC, Managementfehler, eine schwache Wettbewerbsposition und eine relativ instabile Bilanz haben das Unternehmen ins Schleudern gebracht. AMD will nun mit einer Umstrukturierung die Kosten auf das Marktumfeld abstimmen und die Produktlinie nicht nur auf den klassischen PC ausrichten. Für uns klingt das allerdings wie ein Widerspruch und wir fragen uns, ob AMD in den kommenden Jahren seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen kann.
Gemäß unserem Basis-Szenario dürften AMD Ende kommenden Jahres etwas weniger als 700 Millionen Dollar Bargeld zur Verfügung stehen – deutlich weniger, als die vom Management anvisierten 1,1 Milliarden. Unseren Annahmen nach wird der Cashflow ab dem Jahr 2014 wieder positiv. Dennoch dürfte AMD Schwierigkeiten haben, seine 2017 fälligen Verbindlichkeiten zu bedienen, ohne frisches Kapital aufzunehmen. Große Fehler kann sich AMD schon bei diesen Annahmen in den kommenden Jahren nicht leisten. Wenn wir aber – in einem zweiten Szenario - davon ausgehen, dass die aktuelle Nachfrageschwäche nur etwas stärker als in unserem ersten Szenario ausfällt, dürfte AMD bereits 2015 seine Anleihen nicht ohne Kapitalmaßnahme bedienen können.
Das Angebot an Neuemissionen steigt
Wie von uns erwartet, hat sich das Geschäft am Primärmarkt etwas belebt. Nach Vorlage der Quartalszahlen haben mehrere Unternehmen Anleihen begeben. In den kommenden Tagen stehen weitere Ergebnisse an, und sicherlich wird der eine oder andere CFO die Zeit vor den US-Präsidentschaftswahlen noch nutzen, um Anleihen auf den Markt zu bringen. Schließlich dürften die Zeitungen schon bald nach den Wahlen voll mit Spekulationen darüber sein, was ihr Ausgang für die Verhandlungen über die Schuldenobergrenze und das so genannte “Fiscal Cliff” bedeutet. Denn sollten sich die amerikanischen Politiker nicht rechtzeitig einigen, treten zum Jahreswechsel automatisch Ausgabenkürzungen des Staates und massive Steuererhöhungen in Kraft – keine guten Aussichten für den Markt.
Zuvor stehen aber noch einige Konjunkturdaten auf der Agenda, die so kurz vor den Wahlen eine noch wichtigere Rolle spielen könnten als sonst. In erster Linie gilt das natürlich für den monatlichen Arbeitsmarktbericht aus den USA, der am Freitag veröffentlicht wird. Ebenfalls am Freitag werden die US-Auftragseingänge für September vermeldet.
Bereits am Donnerstag steht der amerikanische ISM-Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes an und am Mittwoch der ISM-Einkaufsmanagerindex der Region Chicago. Zur Wochenmitte werden auch die EU-Verbraucherpreise und die deutschen Einzelhandelsumsätze mitgeteilt, aus China kommt am Donnerstag der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe. Auch werden wieder etliche Unternehmensberichte veröffentlicht. Allerdings hat hier „Sandy“ die Termine etwas durcheinander gewirbelt. Zudem ist in den USA noch nicht auf Winterzeit umgestellt worden – für europäische Investoren kommen US-Konjunkturdaten also eine Stunde früher als üblich.
Der Umgang mit der Unsicherheit am Beispiel amerikanischer Öl-Titel
In den vergangenen Monaten sind die Renditestrukturkurven steiler geworden. Das spiegelt sich auch in den Preisen der Neuemissionen wider. Unser Energieanalyst David Schivell hat in diesem Zusammenhang bei den beiden amerikanischen Öl-Unternehmen Marathon Oil (MRO, UR) und Devon (DVN, „BBB+“) eine interessante Beobachtung gemacht: Der Spread zwischen den 3- und 10-jährigen Anleihen von Marathon Oil liegt bei 55 Basispunkten, während der Spread zwischen 4- und 10-jährigen Bonds von Devon nur 27 Basispunkte beträgt. Hierin zeigt sich, wie der Markt langfristige Risiken einpreist: Denn vergangenes Jahr hatte Marathon für viel Geld von Eagle Ford Gebiete gekauft, die reich an Flüssigerdgas sind. Doch es wird Jahre dauern, die Gebiete zu erschließen, und der Preis für Flüssigerdgas ist seit 2011 um rund 50% gefallen.
Die Aussichten für Marathon sind also wesentlich schwieriger einzuschätzen als für den Konkurrenten Devon mit seinem stabilen, bereits etablierten Wachstumsprofil. Auf Grundlage der kurzfristigen Perspektiven bevorzugt unser Energie-Experte die 2016 fälligen Senior Notes von Devon mit einer Verzinsung von 2,40%, die kürzlich mit einem Aufschlag von 67 Basispunkten zu den entsprechenden US-Staatsanleihen gehandelt wurden. Die neuen Senior Notes von Marathon mit 0,90% und einer Fälligkeit von ebenfalls 2016 wurden dagegen mit einem Aufschlag von 50 Basispunkten über den Staatsanleihen emittiert.
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